Status quo Systemsprenger
Projektor eine Kolumne von Thomas Ferstl
Als Systemsprenger werden Klienten in der Pädagogik und Psychiatrie bezeichnet, für die es im Bereich Kinder- und Jugendhilfe noch keine geeigneten und erfolgreich nachgewiesenen Hilfemaßnahmen gibt. »Systemsprenger« ist auch ein deutsches Filmdrama von Nora Fingscheidt aus dem Jahr 2019. Diese Leinwand-Tour de Force sorgte damals mindestens für feuchte Handflächen beim Zuschauen und wurde zu Recht mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Warum aber schreibe ich nun von diesem fünf Jahre alten Film? Auf dem diesjährigen Filmfestival Hamburg ergaben sich Bezugspunkte:
Bereits im Trailer von »Vana« (28. November, Liliom) heißt es: »So stark war deutsches Kino seit Systemsprenger nicht.« Jenny (Emma Drogunova) liebt ihren Freund Bolle (Paul Wollin), mit dem sie ein Kind erwartet. Was für andere das größte Glück bedeutet, löst in Jenny ambivalente Gefühle aus, denn das Leben hat ihr zuvor viel zugemutet. Sie ist mit der Justiz und dem Jugendamt aneinandergeraten und ihre Beziehung mit Bolle leidet zunehmend unter der Drogenabhängigkeit der beiden. Als ihnen die Familienhebamme Marla (Friederike Becht) zugewiesen wird, reagiert Jenny zunächst abweisend. Doch wider Erwarten verurteilt Marla sie nicht, sondern sieht sie als den Menschen, der sie im Kern ist. Jenny beginnt, Marla zu vertrauen. Allmählich fasst sie den Mut, sich ihren Ängsten zu stellen und Verantwortung zu übernehmen.
Nach ihrem eigenen preisgekrönten Drehbuch gelingt Chiara Fleischhacker ein bemerkenswertes Spielfilmdebüt voller emotionaler Wucht, Hoffnung und Zärtlichkeit. Nicht minder beeindruckend die Leistung von Paul Wollin, an dessen Seite die Neuentdeckung Emma Drogunova brilliert. Der Film wurde bereits mehrfach ausgezeichnet und erhielt das Prädikat »Besonders wertvoll«.