Goethes Briefroman präsentiert sich im Sensemble Theater als Gesamtpaket aus Kunst, Lesung und Musik.
Adieu, lieber Werther!

Zugegeben, »Die Leiden des jungen Werther« stand bei mir lange Zeit auf der imaginären schwarzen Liste. Neben Kafkas »Der Prozess« und Schillers »Die Räuber« war Goethes 1774 erschienener Roman Teil meiner Pflichtlektüre zum Abitur. Weitere Erklärungen sind da wohl überflüssig. Nun sind seither einige Jahre ins Land gezogen, meine Lesevorlieben haben sich verändert und die – mit ziemlicher Sicherheit eher in Richtung meines damaligen Deutschlehrers gerichtete – Abneigung gegen diese Klassiker hat sich zum Glück verabschiedet.
Nichtsdestotrotz begleitete mich bei der Premiere des Werther-Abends im Sensemble Theater zunächst ein seltsam vertrautes Gefühl, das sich jedoch binnen weniger Sekunden in Entzückung auflöste: Wow, was für ein Bühnenbild! Der in Augsburg lebende, international arbeitende Künstler Christofer Kochs schuf eigens für die Inszenierung sechs Skulpturen. Diese sechs aus Styropor gefertigten Köpfe finden sich auf vier Malerleitern wieder und repräsentieren auf beeindruckende Art die verschiedenen Gemütszustände des Protagonisten.
In Goethes Drama verliert der junge Rechtspraktikant Werther sein Herz Hals über Kopf an Lotte, die eigentlich schon Albert versprochen ist. Eine stürmische Liaison beginnt. In die Rolle des unglücklich Verliebten schlüpft Christian Krug, der den in Form von Briefen geschriebenen Roman kraftvoll und mitreißend zu interpretieren weiß. Werthers radikale Persönlichkeitsentwicklung, das wahnsinnige Auf und Ab seiner Gefühle werden von dem ausdrucksstarken Schauspieler fantastisch eingefangen. Krugs Vortrag verschmilzt dabei wunderbar harmonisch mit Kochs Bühnenbild.
Für das i-Tüpfelchen sorgt Joachim Holzhauser, der die Lesung am Vibraphon musikalisch untermalt. Die an diesem Abend zu hörende, extra für »Die Leiden des jungen Werther« geschriebene Komposition stammt aus der Feder von Karl Berger. Der in New York lebende Musiker ist der Onkel des Sensemble-Chefs Sebastian Seidel, dem es für die originelle Konzeption dieses Gesamtpakets aus Kunst, Lesung und Musik herzlich zu danken gilt. Adieu, mein lieber Werther, endlich hab ich dich verstanden!
Weitere Termine: 20., 21., 27. und 28. November sowie 4. Dezember.