Die Vergänglichkeit ist ein grundsätzlicher Bestandteil des Lebens, das einem permanenten Wandel unterliegt. Doch können wir nicht nur daneben stehen und unbeteiligt tun – Menschen gehören zu diesen Veränderungen, sind Teil, aber beeinflussen auch massiv. Was das mit Kunst zu tun hat? Viel. Diesmal in Augsburg und Bregenz.
Aktuelle Vergänglichkeiten

Die Auseinandersetzung mit der Vanitas, der Vergänglichkeit des Seins, war vor allem im Barock ein wesentliches Thema, das sich mit einem zwar weiten, aber eindeutigen Kanon der Symbole äußerte. Doch nicht nur das 17. Jahrhundert dachte über Scheitern und Demut angesichts des Vergehens nach, auch Künstler*innen von heute haben uns hierzu etwas zu sagen. Kurator Thomas Elsen hat in der großen Halle des H2 ein Kaleidoskop mit 60 Vanitas-Betrachtungen installiert, das uns ganz verschiedene Ansätze erleben lässt und das Leben und unsere Umwelt von allen Seiten zeigt. So hat Stefan Moses »Große Alte im Wald« fotografiert, starke Persönlichkeiten, dennoch rührend und zart, weise und jung, so unterschiedlich wie der Boxer Max Schmeling oder die Schauspielerin Tilla Durieux.
Breiten Raum nimmt die Arbeit von Lois Hechenblaikner ein, der sich intensiv mit der Veränderung seiner Heimat Tirol auseinandersetzt. Dies tut er mit entlarvenden Gegenüberstellungen von Fotografien, hier vor allem aber mit einer Video- und Rauminstallation, die den alles niederwalzenden Skizirkus eindringlich vor Augen führt. Hauptakteur: ein Meer von Skischuhen. Und angesichts des Klimawandels erweist sich, dass dies wohl eine sich selbst verschlingende Megäre ist oder war … Hingucker der Schau ist jedoch ein monumentaler ausgestopfter röhrender Hirsch, der sich über einem Postament aus gepressten alten Zeitungen erhebt. Sein Reich, der Wald, ist zugleich Lieferant des Materials, auf dem – heute zumindest noch – Nachrichten verbreitet werden. Eine Diskussion über Kurzlebigkeit und Zukunft. Der Weg ins H2 kann nachdrücklich empfohlen werden, »Vanitas Contemporary« ist eine relevante Ausstellung, die wieder zeigt, wie gut das H2 ist. Wenn nun noch mehr Besucher kämen, wäre das wunderbar.
Im H2 ist auch der finnische Fotograf Jaakko Heikkilä vertreten, dem die Galerie im Höhmannhaus derzeit eine Einzelausstellung widmet. Auch hier geht es um Vergänglichkeit, die von Venedig. Heikkilä hat die Bewohner*innen der Palazzi porträtiert, die wenigen, die festhalten an Ort und Lebensstil. Eine merkwürdige melancholische Aufrichtigkeit geht von diesen Bildern aus. Großformatige Farbfotos zeigen die Dargestellten in ihrem noch geschützten Lebensraum, dem Palast, in einer Stadt, die an ihrer Schönheit verdient und leidet und dabei von Millionen Besucher*innen plattgemacht wird.
Ein paar Häuser weiter kann man im Schaezlerpalais in den tibetischen Kulturraum eintauchen. Aus einer Privatsammlung sind Schmuck und Kultgegegenstände vom 1. Jahrtausend bis zur Mitte des 20. Jahrhundert zu sehen, die die Kontinuität der Geisteswelt verdeutlichen. Das ist beeindruckend, spannend und kunstvoll – um die Hintergründe und kulturelle Praktiken zu verstehen, empfiehlt es sich, an einer Führung teilzunehmen. Unten im Café und im Liebertzimmer sind historische Fotografien aus dem »Land der hohen Pässe« zu sehen, die, wie auch die Hauptausstellung, durch ihre Manifestation überdeutlich auf die Vergänglichkeit und den Wandel jeder Kultur verweisen. So wird hier ein Status quo beschrieben, den man, nicht nur aufgrund politischer Repression, durchaus infrage stellen kann. Diese Schau tut das nicht. Wer sich aber auf das Konzept einlässt , das sich auf die herausragende kunsthandwerkliche Qualität und die kulturelle Funktion der Exponate konzentriert, kommt ästhetisch absolut auf seine Kosten und erfährt einiges über eine ziemlich unbekannte Welt.
Bregenz hat neben Lage und Festspielen noch mehr zu bieten. Man kann am Bodensee spazierengehen, durch die Altstadt bummeln und sollte vor allem unbedingt das Kunsthaus besuchen. Der Bau besticht schon durch die Architektur von Peter Zumthor, gibt vor allem aber hochkarätigen Künstler*innen Raum. Bis Oktober bespielt der Düsseldorfer Bildhauer Thomas Schütte den Kunstbau mit seinen bronzenen Riesenmännern, die dem Boden entwachsen oder in ihm versinken und scheinbar formbeweglich zu sein scheinen. Solche Arbeiten, die sich auch draußen in der Stadt finden, wurden nachgerade zu Schüttes Markenzeichen. Den Eingang des Kunsthauses bewacht ein Wasserdampf schnaubendes Hund-Drachen-Wesen, das mythologische Assoziationen zum Drachenhort weckt. Doch die Ausstellung zeigt die Bandbreite des Künstlers, so bietet sie neben Aquarellen, Holzschnitten und Wandkeramiken auch hochspannende Architekturarbeiten, die einerseits reine Plastik sind, dennoch aber das Wesen der Architektur untersuchen. Keine Frage: Schütte ist einer der wichtigen Künstler*innen unserer Zeit.
www.kunstsammlungen-museen.augsburg.de
Vanitas Contemporary, bis 19. Januar im H2 – Zentrum für Gegenwartskunst
Jaakko Heikkilä – Rooms hidden by the Water, bis 29. September im Höhmannhaus
Magie vom Dach der Welt, bis 10. November im Schaezlerpalais
www.kunsthaus-bregenz.at
Thomas Schütte, bis 6. Oktober
Foto: Gloria Friedmann, L’envoyé spécial, Mixed Media Installation, 1995/2019. Gezeigt bei Vanitas Contemporary, H2