Hauptschuld hat eigentlich Heiner Lauterbach. Projektor, die a3kultur-Filmkolumne
Deutsches Kino ist Schrott

Liebe Leser, wissen Sie eigentlich, wie oft ich mir anhören muss, dass der deutsche Film Schrott ist? Lassen Sie es mich so ausdrücken: Wenn ich für jedes Mal einen Cent bekommen würde, hätte ich längst eine Rolex, mit der ich selbst im Theater herumklappern könnte, statt mich nur darüber zu beschweren. »Hauptschuld hat eigentlich Heiner Lauterbach«, meinte einmal ein Kommilitone auf die Frage, warum er dieser negativen Ansicht sei. Meiner Meinung nach liegt er da genau falsch. Gut, was Lauterbach, Schweiger und Ferres angeht, kann man sicher streiten, aber Deutschland hatte immer außerordentlich talentierte Akteure vor der Kamera. Von Hans Albers bis Ivo Pietzcker und Paula Schramm. Ich glaube, zu viele, die deutsches Kino für Sch…eibenkleister halten, haben peinlich unlustige Titel wie »Fack ju Göhte 2« oder Til Schweigers Schmalzverbrechen eins bis x im Kopf. Verständlich, dass gegenüber einer solchen Flut von Mist Qualitätsfilme von Größen wie Werner Herzog, Volker Schlöndorff oder Rainer Werner Fassbinder in Vergessenheit geraten. Abgesehen von den Klassikern empfehle ich dann gerne neuere deutsche Qualitätsfilme wie »Elementarteilchen«, »Oh Boy« oder diesen Monat drei deutsche Filme, die in gewisser Weiße alle etwas mit Schrott zu tun haben:
Bei »Schrotten!« (5. Mai, CinemaxX) ist der Name auch sogleich Programm. Mirko Talhammer (Lucas Gregorowicz) wird in seinem schicken Hamburger Versicherungsbüro buchstäblich vor den Kopf gestoßen. Buchstäblich, denn einer von zwei abgehalfterten Typen, die ihn aufsuchen, verpasst ihm eine Kopfnuss. Eine Erinnerung daran, wo er eigentlich herkommt: von einem Provinzschrottplatz. Eigentlich hatte Mirko die Welt, in der das Schrotten, die Familie und ab und zu eine gepflegte Schlägerei das Leben bestimmen, längst hinter sich gelassen, doch die zwei Typen nehmen ihn mit. Nach dem Tod des Vaters hat er gemeinsam mit seinem Bruder Letscho (Frederick Lau), der den Betrieb bereits übernommen hatte, den Schrottplatz geerbt. Der Vater hat ihnen außerdem hinerlassen: den Plan für einen ganz großen Coup. Einen Zugraub, der die Zukunft des Familienunternehmens retten soll. Max Zähles Film wirkt atmosphärisch wie der deutsche Cousin von Guy Ritchies »Snatch – Schweine und Diamanten«. Der Schrottplatz und seine Charaktere versetzen den Zuschauer in die gleiche schmutzige Halbwelt wie seinerzeit »Snatch«-Figur »One Punch« Mickey (Brad Pitt) und seine Gipsy-Ganoven in ihrer Wohnwagensiedlung. In Sachen Gangster-Swag kann »Schrotten!« mit dem Verwandten von der Insel zweifellos mithalten und muss sich auch in Sachen Witz und Spannung keinesfalls verstecken. Handwerklich ist an diesem Film ebenfalls nichts auszusetzen. Zähle wurde nicht umsonst 2012 mit seinem Kurzfilm »Raju« für den Oscar nominiert.
Schrott im übertragenen Sinne ist das Leben von »Mängelexemplar« (12. Mai, CinemaxX, Cineplex) Karo (Claudia Eisinger). Die Mittzwanzigerin hat ihren geliebten Job verloren, Stress mit Muttern (Katja Riemann) und eigentlich generell nur Probleme. Sie wird von Angst überwältigt, begibt sich in Therapie, hält sich letztendlich aber nicht an die verordnete Ruhe. Sie will alles wieder in Ordnung bringen, und dabei geht nach Murphys Gesetz schief, was nur schiefgehen kann. Als dann auch noch ihr Freund Philipp (Christoph Letkowski) Schluss macht, entwickelt sich die Angst zu Panikattacken und schlussendlich zu einer handfesten Depression. Sarah Kuttners Roman, der hier als Vorlage dient, stieß 2009 bei den meisten Kritikern eher auf Ablehnung. Er erreichte wie Charlotte Roches »Feuchtgebiete« trotz oder gerade wegen des literarischen Dilettantismus Bestsellerauflage. Der Film ist keinesfalls schlecht, aber auch kein Meisterwerk, das muss zuallererst gesagt werden. Er spielt im hippen Medienmilieu und wird auch genau die Generation ansprechen, die er porträtiert. Junge Menschen, die irgendwas mit Medien machen, mit großen Brillen und Jutebeuteln in Kreuzberg oder auf dem Augsburger Rathausplatz abhängen und ihren Spaß haben wollen. Ein tiefgreifendes Depressionspsychogramm ist Laura Lackmanns Film jedoch nicht.
»Wie Männer über Frauen reden« (12. Mai, CinemaxX), wenn sie unter sich sind, kann erfahrungsgemäß auch Schrott sein. Was DJ (Oliver Korittke), Frankie (Barnaby Metschurat) und ihre Kumpels von sich geben, ist da ein Paradebeispiel. Sie haben keinen Bock auf Bindung oder Depression und wollen weitermachen wie bisher: DJ am Mischpult und Frankie hinterm Tresen einer Kreuzberger Bar. Jede Nacht eine neue Frau, ein neues Abenteuer, bis sich Frankie in seine Kumpel-Freundin Tine (Ellenie Salvo González) verliebt. Aus dem ambitionierten Crowdfunding-Projekt wurde eine amüsante, allzu wahre Persiflage auf die jungen Männer unserer Zeit.