Ein dickes Ding

Vier Oscars für einen deutschen Film. Das war aber nicht das einzige dicke Ding der Oscarnacht. Und damit meine ich nicht die physische Präsenz seiner Figur, sondern Brandan Frasers fulminante Rückkehr auf die Leinwände, die die Welt bedeuten, in »The Whale« (27. April, Cinemaxx, Kinodreieck, Liliom).
Charlie (Brendan Fraser) hat vor vielen Jahren seine einstige Familie verlassen, um mit einem Mann zusammen sein zu können. Nach dessen Tod entwickelt er eine Essstörung, wiegt mehr als 270 Kilo und hat große Probleme, seinen Alltag zu bewältigen. Wenigstens hat er seine Arbeit als Englischprofessor, die er von zu Hause aus ausüben kann – allerdings ohne Webcam, da Charlie sich für sein Aussehen schämt. Als seine Vergangenheit ihn immer mehr einholt, beschließt er, sich wieder mit seiner 17-jährigen Tochter Ellie (Sadie Sink) in Verbindung zu setzen. Da sein Gesundheitszustand immer kritischer wird, setzt er alles daran, um sich, aber auch die Zukunft seiner Tochter zu retten. Es bricht eine gemeinsame Zeit mit seiner Exfrau Mary (Samantha Morton) und dem Evangelisten Thomas (Ty Simpkins) an, die ihm alles abverlangt.
Basierend auf seinem gleichnamigen Theaterstück (2013) verarbeitet Samuel D. Hunter auch im Drehbuch des Films eigene Erfahrungen mit nicht geoutetem Schwulsein, religiös bedingter Homophobie und Depressionen. Nach seinem tabubrechenden Schocker »Mother!« nimmt sich Regisseur Darren Aronofsky hier extrem zurück und zollt der Stoffvorlage durch die kammerspielartige Inszenierung und ein beengtes 4:3-Format gelungenen Tribut. Letzteres wird von einem großartigen Cast gefüllt, allen voran Brandan Fraser. Sein Hauptrollencomeback ist beeindruckend. Aus dem nahezu unbeweglichen Charlie macht er eine bewegende Figur. Neben einem Fatsuit haben die Maskenbildner*innen mit Granulaten, Murmeln und getrockneten Bohnen gearbeitet. Unter all diesen Schichten schaut Fraser hervor und spielt vor allem mit den Augen. In diesen sehen wir Hoffnung, Freude, Trauer und häufig Leere. Die Darstellung dieser Leere scheint dem einst als Schönling abgestempelten Fraser besonders gut zu gelingen. Nach einer Reihe von kommerziellen Misserfolgen war es in den 2010ern stiller um ihn geworden. Letztendlich zog er sich fast vollständig aus Hollywood zurück. Eine sexuelle Nötigung Anfang der 2000er, seine Scheidung 2007, der finanzielle Ruin und der Tod seiner Mutter führten Fraser eigenen Angaben zufolge in eine Depression. Sehr emotional sprach er in seiner Oscarrede davon, »wie bei einer Tauchexpedition auf dem Grund des Ozeans« gewesen zu sein. Nun ist Brendan Fraser mit einem hochverdienten Goldjungen wiederaufgetaucht.