Zwischen Tod und Liebe bewegt sich Otto Pichlers Inszenierung am Theater Augsburg – mit dem Glanz alter Varietés, aber völlig ohne jeden Tingeltangel-Kitsch. »Die Csárdásfürstin« – Eine Projektor-Rezension
Federboa mit Knalleffekt

Die Kollegin, die für Oper und Klassik zuständig ist, kann kurzfristig nicht zur Premiere. Was tun? Genau, den Filmheini hinschicken. Da ich schon mal in einer Oper war und weiß, dass es dort gesitteter zugeht als im Kino, erspare ich Ihnen an dieser Stelle den Warum-gibt-es-kein-Popcorn-Gag. Geraschelt oder besser geklappert wurde bei der Premiere am 27. Februar auch. Zwar nicht mit Snacks, aber mit der neuen Rolex oder den geerbten Goldklunkern, aber das nur am Rande. Mir als Cineasten war »Die Csárdásfürstin« nicht sofort geläufig, aber meine Mutter erinnerte mich an die Verfilmung mit Marika Rökk unter der Regie von Georg Jacoby aus dem Jahr 1951. Ein Film, der außer den inhaltlichen Grundstrukturen wenig mit dieser Inszenierung gemeinsam hat.
In der Operette mit Musik von Emmerich Kálmán und dem Libretto von Leo Stein und Bela Jenbach geht es um die gesellschaftliche Verstrickung der Bohemiens des Theaters mit dem vom Niedergang gezeichneten Adel. Die Handlung spiegelt deutlich die Entstehungszeit des Stückes, Uraufführung am 19. November 1915 in Wien, wider: Der Erste Weltkrieg wirft seine Schatten über das scheinbar unbeschwert-lustige Leben des Varietés.
Die Chansonnette Sylva (Judith Kuhn) und der adelige Edwin (Mathias Schulz) wollen heiraten, doch seine Eltern versuchen dies aus Gründen der Etikette mit aller Macht zu verhindern. Seine Nichte Stasi wäre eine viel adäquatere Gattin. Es braucht drei Akte, zahlreiche Enttäuschungen, Verstellungen und Kompromittierungen, bis alle Beteiligten vermeintlich ihr Glück gefunden haben. Am Ende hat Regisseur Pichler im wahrsten Sinne des Wortes einen Knall inszeniert, bei dem Brechterben wahrscheinlich in Ohnmacht gefallen wären. Urheberrechtsinhaberin Yvonne Kálmán aber blieb in der Reihe vor mir einfach lässig sitzen.
Besonders ist neben dem abschließenden Knall und seinen Folgen noch einiges mehr. Pichler strich die Ouvertüre und lässt Sylva Varescu begleitet von einer einzelnen Violine auftreten. Das Setting des ersten Akts: grauer Beton und schrill-bunte Gestalten des Nachlebens. Im zweiten Akt wird dieser Stil gebrochen, schicke Holzkulissen dominieren die pastell gekleidete noble Gesellschaft. Im dritten Akt wird Jan Freeses Bühnenbild dann völlig reduziert und Falk Bauers Kostüme kommen noch einmal wunderbar zur Geltung. Zur Geltung kommt auch Judith Kuhn, die souverän als charismatische und kühle Sexbombe des Nachtlebens überzeugt. Mathias Schulz als bohemienhafter Adelsspross kann da nicht immer mithalten.
Summa summarum eine Inszenierung, die die Federboa um, aber die kitschige Last von sich geworfen hat und damit nicht nur Freunden der Hochkultur, sondern auch Fans von Filmen wie »Cabaret« und »Moulin Rouge« einen unterhaltsamen und spannenden Abend bietet.
Weitere Termine: 3., 10., 22. April sowie 11. und 29. Mai