Theater & Bühne

Für alle Liebhaber der Opernkunst

Gastautor

Sehr geehrte Liebhaber der Opernkunst! Ich weiß, dass Sie davon betrübt sind, dass das Augsburger Große Haus unerwartet schnell geschlossen wird und Sie jetzt unter Umständen gezwungen sind, weit zu fahren, um eine Oper zu genießen. Es gibt für Sie eine tröstliche Nachricht: Nicht weit von Augsburg, in Mering wurde vor kurzem das Opernhaus »Multum in Parvo« eröffnet. Das Theater, das klassische Opern aufführt, präsentiert regelmäßig neue Premieren. Freilich, das Theater ist sehr klein – im Zuschauerraum gibt es maximal 23 Plätze –, dennoch singen dort die Opernsterne der 20er- und 30er-Jahre, den Platz auf der Bühne wechseln aus Papier ausgeschnittene Helden. Dabei bietet das Haus eine ganz besondere Atmosphäre.

Die Oper als Kunstform war von Beginn an eine hohe Kunst, die hauptsächlich der Aristokratie zugänglich war. Ende des 19. Jahrhunderts stieg das Interesse für die Oper auch beim Bürgertum, für welches der Zugang in die Opernhäuser jedoch teuer und kompliziert war. Opernhäuser befanden sich in den großen Städten und eine Fahrt dorthin war eher eine Reise, ein Ereignis und nicht wie heute eine kurze Fahrt mit dem Regionalzug oder dem Auto. Es gab noch kleine Städtchen, wo die Wege bis zur Eisenbahn eine oder zwei Stunden erforderten.

So erschienen Puppenopernbühnen, auf denen man zu Hause mit Hilfe von Pappfiguren die gegenwärtigen großen Vorstellungen nachspielen konnte. Die musikalische Begleitung lag in Händen der Benutzer: Manchmal spielten die Melodien Familienangehörige und Bekannte, die Musikinstrumente beherrschten, seltener wurden Opernpartien selbst gesungen.

Die wirkliche Revolution geschah in den 20er-Jahren mit der Verbreitung von Schallplatten. In 20er- und 30er-Jahren entstanden »verkürzte« Varianten der bekannten Opern, wobei diese nicht von Amateuren, sondern von erstklassigen Operndirigenten geschaffen wurden. Sie dauerten 45 bis 75 Minuten, die Partien wurden von berühmten Sängern gesungen und auf einem Satz der Schallplatten eingeritzt. Es waren zwei Grammophone erforderlich, damit der Abschluss einer Platte sofort in den Anfang der Folgenden überging. Für solche »verkürzten« Varianten wurden gedruckte Blätter mit Dekorationen und Figuren verlegt, die man ausschneiden sollte, um mit ihnen auf einer kleinen, üblicherweise ca. DIN A3 großen Bühne die Handlung der Oper vorzuführen.

Die Schöpfer von »Multum in Parvo«, Theaterwissenschaftler Benno Mischka und seine Frau Christine Schenk haben ein solches Theater reproduziert und haben die echten Aufzeichnungen von alten Sätzen der Schallplatten gefunden. Jetzt stellen sie dem Publikum die »häusliche Kunst« der 20er- bis 30er-Jahre vor. Die Opern werden auf Deutsch gesungen – bis zu Karajan, der das Singen auf der Sprache des Originals Ende der 30er-Jahre eingeführt hat, wurden Opern in der ganzen Welt in einer Übersetzung der lokalen Sprache gesungen. Die Atmosphäre dabei ist wunderbar: Alles geschieht in einem Zimmer mit Bücherregalen an der ganzen Wand, die bequemen Sessel sind so eingerichtet, dass jeder Besucher problemlos alles sehen kann.

Das Theater arbeitet sowohl nach Programm, als auch »auf Bestellung«. Nach der Tagesvorstellung, die ich sah, gab es beispielsweise eine Aufführung, die von jemandem für seine Geburtstagsgäste bestellt wurde.

Ich bin kein großer Kenner der Opernkunst, um einschätzen zu können, ob die Partien gut oder nicht so gut gesungen wurden. Die Vorstellung von Puccinis »Turandot« hat mich jedoch in die vollkommenste Begeisterung versetzt. Deshalb traue ich mich, Ihnen zu empfehlen, unbedingt selbst eine Vorstellung dieses einzigartigen Theaters zu besuchen. Berücksichtigen Sie, dass der Saal fast immer voll ist, weshalb es besser ist, die Karten im Voraus zu bestellen. Das Programm und den Kontakt finden Sie unter: www.papiertheater.net
(Iacov Grinberg)

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