Projektor – die a3kultur-Filmkolumne mit »Niemals selten manchmal immer«, »Kajillionaire« und »Milla meets Moses«.
Ladies need no gentlemen

Zwar längst überfällig, jedoch spätestens seit dem MeToo-Skandal stehen weibliche Filmschaffende und Filme mit starken weiblichen Hauptrollen zunehmend im Fokus der Kinowelt. Im Hollywood-Mainstream hat die Debatte gute Filme wie Jay Roachs »Bombshell« (2019) oder Greta Gerwigs »Little Women« (2019), mal weniger gute Streifen wie Gary Ross’ »Ocean’s 8« (2018) oder Lorene Scafarias »Hustlers« (2019) hervorgebracht.
Umso schöner, dass in diesem Oktober gleich drei fantastische Indie-Filme junger Regisseurinnen und Drehbuchautorinnen in die Kinos kommen, die mit starken Geschichten und noch stärkeren Heldinnen Hollywood zeigen, wie es weitergehen muss. Welche Filme das sind, was sie so sehenswert macht und was Sie diesen Monat sonst noch im Kino sehen können, erfahren Sie wie immer hier:
»Niemals selten manchmal immer« (1. Oktober: CinemaxX, Kinodreieck, Liliom): Das Leben der 17-jährigen Autumn (Sidney Flanigan) verläuft so normal wie unspektakulär. Auf dem Land in Pennsylvania geht sie ihrer Arbeit in einem Supermarkt nach und führt ein bescheidenes Leben. Das ändert sich jedoch schlagartig, als sie bemerkt, dass sie ungewollt schwanger ist. Da sie in ihrem Bundesstaat nicht einfach abtreiben kann, fährt Autumn kurz entschlossen mit ihrer Cousine Skylar (Talia Ryder) und ein paar geklauten Dollars mit dem Bus nach New York. Als der ersehnte Eingriff nahe scheint, beginnen für die jungen Frauen in der Metropole am Hudson River brisante Stunden. Regisseurin und Drehbuchautorin Eliza Hittman zeigt in eindringlichen Bildern, wie zwei junge Frauen die Entscheidungshoheit über ihre Körper, Seelen und Gefühle im unbarmherzigen Amerika der Gegenwart zurückerobern wollen. Hittman und ihre Hauptdarstellerinnen erzeugen ein hohes Maß an Intimität auf der Leinwand und rufen bei den Zuschauer *innen großes Mitgefühl hervor. So ließen sich auch die Preisrichter*innen beim Sundance Film Festival 2020 sowie der diesjährigen Berlinale überzeugen und verliehen dem Film jeweils ihren Jury-Preis.
Die Trickbetrüger Theresa (Debra Winger) und Robert (Richard Jenkins) haben 26 Jahre damit verbracht, ihrer einzigen Tochter, Old Dolio (Evan Rachel Wood), beizubringen, zu schwindeln, zu betrügen und bei jeder Gelegenheit zu stehlen. Während eines verzweifelten, hastig geplanten Raubs bringen sie eine Fremde, Melanie (Gina Rodriguez), dazu, sich ihrer nächsten Gaunerei anzuschließen – nur um erleben zu müssen, wie ihre ganze Welt auf den Kopf gestellt wird. »Kajillionaire« (22. Oktober: Liliom) erzählt auf den ersten Blick eine einfache Geschichte. Der Regisseurin und Drehbuchautorin des Films Miranda July gelingt es jedoch, clevere Beobachtungen der Familienbande zwischen Theresa, Robert und Old Dolio einfühlsam und mit frechem Witz in Szene zu setzen. So entspinnt sich vor den Augen der Zuschauer*innen ein schrulliger, liebenswerter Film, der durch seine verquere Erzählstruktur wie eine frische Brise durch das Einerlei stringenter Filmnarrative weht.
Zwar stringent erzählt, aber eine nicht weniger frische Brise ist Shannon Murphy mit ihrem Debütfilm »Milla meets Moses« (8. Oktober: Kinodreieck, Liliom) gelungen. Milla (Eliza Scanlen) trifft Moses (Toby Wallace) – vielmehr wird sie bei der ersten Begegnung buchstäblich von ihm umgehauen. Obwohl Moses sich als Herumtreiber und Gelegenheitsdealer entpuppt, nimmt sie ihn mit zu sich nach Hause, um ihn ihren Eltern vorzustellen. Anna (Essie Davis) und Henry (Ben Mendelsohn) – eine ehemalige Konzertpianistin und ein ziemlich entspannter Psychiater – sind alles andere als begeistert von Millas neuem Freund. Doch Millas Lebensfreude und ihre Sehnsucht, die Liebe und die Welt zu entdecken, stellen die Familie auf den Kopf. Pure Energie und Lebenslust nach dem gleichnamigen Theaterstück von Rita Kalnejais.
Foto: »Milla meets Moses« und bringt das Familienleben völlig durcheinander. © X Verleih