Über »Gendertische« in Buchhandlungen. Von Juliana Hazoth.
Lesen ist unisex

Wussten Sie, dass Joanne K. Rowling unzählige Male von Verlagen abgelehnt wurde? Als dann doch jemand versuchen wollte, »Harry Potter« in kleinster Auflage zu veröffentlichen, sollte sie ein Pseudonym verwenden. Der Grund: Mit einem männlichen Protagonisten sei es ein Buch für Jungs – und Jungs lesen keine Bücher von Autorinnen. Wie die Geschichte ausgeht, ist bekannt: Mit über einer halben Milliarde verkaufter Bücher ist »Harry Potter« die erfolgreichste Buchreihe der Welt – gelesen von allen, und das ganz ohne Pseudonym.
Anfang des Jahres erreichte ein offener Brief von jungen Leser*innen die Zentrale der Thalia-Buch-handlungen. Darin wurde gefordert, auf sogenannte Gendertische zu verzichten, denn Lesen sei unisex. In der Augsburger Filiale gibt es diese Unterteilung ohnehin nicht, wie die Kinderbuchbeauftragte dort bestätigt: »Wir verzichten ganz bewusst auf die Trennung zwischen Büchern für Mädchen und Büchern für Jungs. Diese Unterscheidung halten wir für veraltet und problematisch.« Stattdessen ist die Abteilung dort unterteilt in Altersstufen oder Themengebiete wie zum Beispiel »Spannung«. Das kommt vor allem bei den jungen Leser*innen an, die sich sehr gut zurechtfinden.
Die Problematik von Gendertischen wird unterschätzt. Die Einteilung, die im Übrigen absolut willkürlich ist, schränkt Kinder ein. Indem Schilder die angeblich passenden Bücher ausweisen, halbieren sie die Auswahl von vornherein. Kinder werden auf ihr Geschlecht reduziert und in eine Schublade gesteckt, vollkommen ohne auf persönliches Interesse zu achten. Die Jungs lesen spannende Detektivgeschichten, während die Mädchen sich mit rosaroten Büchern über Ponyhöfe vergnügen. Und dann wundern wir uns, dass die Heranwachsenden in ihrer Klischeeschublade feststecken und das Erlernte ausleben.Natürlich gibt es das Gegenargument: Wenn ein Junge über Pferde lesen möchte, soll er eben zum Mädchenregal gehen. Ja, das ist natürlich ein Weg. Warum aber sollte dieser Junge den schiefen Blicken ausgesetzt werden, die die Gesellschaft für ihn bereithält? Möglicherweise sogar mit dem freundlichen Hinweis, er sei in der falschen Abteilung.
Es ist ein allgemeines Umdenken gefragt. Das gilt für die rosa und blaue Covergestaltung seitens der Verlage ebenso wie für die Buchhandlungen. Doch alle können dazu beitragen, dass Kinder das lesen dürfen, was sie lesen möchten. Für die Thalia-Filiale Augsburg ist die Sache klar: »Kommen Sie mit Ihrem Kind zu uns. Oder fragen Sie nach den individuellen Interessen und wir finden ein passendes Buch, unabhängig von Mädchen oder Junge.« Wer weiß, vielleicht sind die Pferdebücher ja der erste Schritt zum erfolgreichen Tierarzt und die Detektivgeschichten inspirieren zukünftige Richterinnen.