Projektor – die a3kultur-Film-Kolumne im August
Liebeswirrungen

Der Frühling ist im August zwar definitiv vorbei, aber auch im Hochsommer ist es nicht zu heiß für große Gefühle. Dass sich die Liebe in den Zeiten von sozialen Medien und Flüchtlingsdebatten schwierig gestaltet, zeigen diesen Monat zwei Filme, in denen starke, moderne Frauen durch die Liebe an ihre physischen und psychischen Grenzen gebracht werden.
In welchen konkreten Situationen sich die Frauen wiederfinden, ob diese Geschichten etwas taugen und was diesen Monat noch auf den In- und Outdoor-Leinwänden gezeigt wird, erfahren Sie wie immer hier:
»Es gilt das gesprochene Wort« (1. August, Kinodreieck, Foto) erzählt die Geschichte von Marion (Anne Ratte-Polle). Sie ist eine starke Frau, Pilotin und in der Türkei im Urlaub. Dort lernt sie den charmanten Baran (Ogulcan Arman Uslu) kennen, dem seine Wirkung auf Frauen durchaus bewusst ist. Obwohl Marion mit Raphael (Godehard Giese) liiert ist, entwickelt sich ein Urlaubsflirt zwischen ihr und Baran, der seinem ärmlichen Leben in der Türkei entfliehen will. Durch eine Scheinehe verhilft Marion Baran schließlich zu einem neuen Leben in Deutschland. Als sich die beiden dann tatsächlich emotional näherkommen, stellt Marions Krebsdiagnose die Beziehung der beiden auf eine harte Probe.
Die Chemie zwischen den beiden Hauptdarstellern stimmt, die kulturellen Unterschiede zwischen Powerfrau und Macho sind glaubhaft herausgearbeitet und die Entwicklung von Barans anfänglichem Kauderwelsch zu gutem Deutsch ist durchaus realistisch inszeniert. Regisseur Ilker Çatak, unter anderem mit dem Studenten-Oscar und dem Max-Ophüls-Preis ausgezeichnet, ist der Film jedoch leider etwas schwerfällig geraten. In krimiartigem blassen Grau schleppt sich die langsam erzählte Geschichte mit spärlichen Dialogen und raren Spannungsmomenten über 120 Minuten, die einem eher wie 180 vorkommen, dahin. Wer diese Bedächtigkeit aushalten kann, erlebt jedoch eine gut gespielte, multikulturelle und moderne Liebesgeschichte.
Die Protagonistin in »So wie du mich willst« (8. August, Kinodreieck) heißt Claire (Juliette Binoche). Die 50-Jährige ist Dozentin für Literatur, geschieden und alleinerziehende Mutter. Um ihren Gelegenheitsliebhaber Ludo (Guillaume Gouix) auszuspionieren, erstellt sie ein gefälschtes Profil auf Facebook mit Fotos einer jungen hübschen Frau, die sie im Internet findet. Da Ludo nur Freundschaftsanfragen von realen Bekanntschaften annimmt, versucht sie über eine virtuelle Freundschaft mit seinem besten Freund Alex (François Civil) an ihn heranzukommen. Über Chatkontakt verliebt sich Claire jedoch in den jungen Fotografen Alex und Alex sich in Claires erfundene Figur. Claire gerät immer weiter in Bedrängnis, verliert die Kontrolle über das virtuelle Spiel und ist zunehmend zerrissen zwischen der Hoffnung auf die unmögliche Liebe und die Angst, Alex die Wahrheit sagen zu müssen und ihn deshalb möglicherweise zu verlieren.
Das Drehbuch zu Safy Nebbous Verfilmung eines Romans von Camille Laurens hat klare Schwächen. Da wäre zum Beispiel eine hanebüchene »Verfolgungsjagd« per absolut unrealistischer GPS-App. Die omnipräsente Juliette Binoche macht solche Mängel jedoch mit ihrem souveränen Spiel wieder wett. »So wie du mich willst« ist nicht nur ein Fingerzeig auf die Gefahren der faszinierenden Welt des virtuellen Lebens, sondern auch ein Porträt über Einsamkeit und die Angst vor dem Älterwerden.