Ausstellungsmacher wie der BBK Schwaben Nord und Augsburg e.V. gehen in der Corona-Krise neue Wege.
Not macht erfinderisch

Die Corona-Pandemie hat unsere Gesellschaft zu Notlösungen gezwungen. Viele Dinge, die schon längst möglich waren, dank unserer Trägheit aber nicht angewandt wurden, sind heute Wirklichkeit – und bleiben mit großer Wahrscheinlichkeit, zumindest teilweise, in unserem Leben. Der Online-Handel erlebt eine hohe Nachfrage nach Lebensmitteln. 25 Prozent der Menschen, die heute im Homeoffice arbeiten, möchten dies einer repräsentativen Umfrage zufolge weiter machen. Uni-Lehrkräfte haben entdeckt, dass Vorlesungen im Internet funktionieren können, ihre Arbeit bei der Betreuung einzelner Studierender und Laborarbeiten aber unersetzbar sind.
Auch der Berufsverband Bildender Künstler Schwaben Nord und Augsburg e.V. hat in Zeiten geschlossener Museen und Ausstellungsräume eine Notlösung genutzt. Er zeigt Arbeiten seiner neuen Mitglieder nicht wie üblich im abraxas, sondern im Internet. Drei Editionen – die erste vom 3. bis 24. Mai, die zweite vom 29. Mai bis 21. Juni und die dritte vom 26. Juni bis 19. Juli – warten auf Ihre Aufmerksamkeit auf der BBK-Webseite www.kunst-aus-schwaben.de. Jede beinhaltet das Schaffen von 15 neuen Mitglieder. Schon die erste Edition zeigt die Vor- und Nachteile solcher Präsentationen.
Natürlich kann man auf dem Bildschirm nicht selbst ein Objekt, sondern nur eine seine Abbildung zeigen. Und wie man diese Abbildung sieht, ist auch von den Ausmaßen des Bildschirms abhängig. Meine Frau und ich haben alles auf unseren 17“-Laptops betrachtet. Unsere Tochter, Dr. in Astrophysik, die auch im Homeoffice mit 25“-Bildschirmen arbeitet, und mit der wir über Skype kommunizierten, hat beteuert, dass wir bei relativ kleinen Fotoarbeiten von Jochen Eger und Horst Gatscher einen erträglichen Eindruck bekommen können, bei großformatigen Arbeiten von Pit Kinzer mit vielen Details dagegen einen sehr schwachen.
Bei relativ kleinen Gemälden von Lilian Berthel, Eva Mähl, Hanna Petermann-Kammerer und Lilli Wilde war mit unserem Bildschirm ein relevanter Eindruck möglich, bei großformatigen Arbeiten von Annunciata Foresti, Irene Rung und Ting Tan-Mayershofer dagegen kaum. Und wenn es um Objekte und Installationen von Christine Grasmann-Feix, Karl Heinz Kappl oder Katinka Schneweis geht, kann man nur von einer oberflächlichen Bekanntschaft sprechen.
Es geht bei dreidimensionalen Objekten und Installationen nicht nur um Ausmaße: Wir sehen sie auf Bildschirmen nur aus einem Blickpunkt, den der Fotograf ausgewählt hat – und auch mit der von ihm ausgewählten Beleuchtung. Es ist offensichtlich, dass bei solchen Objekten auch Schatten, die von verschiedenen Seiten unterschiedlich sichtbar sind, eine sehr wichtige Rolle spielen. Man kann sie mit der Rolle von Pausen in einer Theatervorführung vergleichen.
Andererseits erlauben es solche Präsentationen, viel mehr Arbeiten zu zeigen als es in üblichen Ausstellungssälen möglich ist. Auf einer Gruppenausstellung ist ein Künstler mit einer, maximal zwei Arbeiten vertreten, hier mit fünf und mehr. Häufig habe ich das Seufzen verschiedener Künstler gehört, dass die Auswahlkommission mit ihren Geschmäckern nicht die beste Arbeit für die Ausstellung ausgewählt habe. Jetzt wäre es zum Beispiel möglich – als Zusatz zu den ausgewählten Arbeiten – im Ausstellungsaal einen großen Bildschirm zu platzieren, auf dem Künstler ihre anderen Werke präsentieren können. Für Fotografien und vielen Grafikarbeiten passt das, für Gemälde und dreidimensionale Objekten müsste man jedoch eine zufriedenstellende Präsentationsform finden. Die heutige Krise könnte zu einer Bereicherung der Ausstellungspraktik führen.
Foto: Noch geschlossen – die BBK-Kunsthalle im abraxas