Franz Doblers letzter Roman »Ein Bulle im Zug« wird mit dem Deutschen Krimipreis 2015 ausgezeichnet.
Platz eins für Dobler

Der Augsburger Schriftsteller, Journalist und DJ erhält damit die wohl traditionsreichste deutsche Krimi-Auszeichnung. Franz Dobler, der auch immer wieder als Autor für a3kultur tätig ist, befindet sich damit in bester Gesellschaft. So zählten in der Vergangenheit unter anderem Friedrich Ani und Bernhard Jaumann zu den Auserwählten. Der von einer Jury aus Literaturwissenschaftlern, Kritikern und Buchhändlern vergebene Deutsche Krimipreis zeichnet jedes Jahr jeweils drei deutschsprachige Erstausgaben in den Kategorien National und International aus. Aus gegebenem Anlass lesen Sie die Buchbesprechung zu »Ein Bulle im Zug« aus unserer September-Ausgabe.
Eigentlich war die Schicht für diese Nacht schon zu Ende. Warum Hauptkommissar Fallner kurz nach der Funkmeldung dem jungen Münchner Vorstadtstrizzi Maarouf dennoch zwei Kugeln in den Kopf jagt, ist eine von den Geschichten, die vom schlechten Timing geschrieben werden. Während die interne Abteilung gegen den Schützen ermittelt, zieht sich dieser auf seine innere Haltestelle zurück, in der kein Fahrplan aushängt, auf dem zu lesen wäre, wann der nächste Zug hält.
Von hier aus beobachtet der Eisenbahnersohn mit der BahnCard 100 in der Tasche das ständige Kommen und Gehen der anderen so lange, bis er endlich selber den Absprung schafft und sich auf seine »ziellose Reise durch Deutschland« macht. Er springt auf den ICE Klabautermann und reist mit kleinem Gepäck und ohne Plan. Zu diesem Trip hat er kein Ticket für seine alten Geschichten gelöst. Jaqueline, seine Kollegin und Ehefrau, lässt er zurück, und ebenso Maarouf, denkt Fallner.
Seit der Schießerei ist der tote Junge sein Begleiter. Er begegnet ihm zu Hause, wenn er vom Balkon aus die Waggone der vorbeirasenden Züge zählt, im Café, im Gedränge am Bahnsteig. Sein Opfer lässt nicht mehr von ihm ab. Es beschimpft ihn, reizt ihn und diskutiert mit ihm und wird so langsam, aber sicher zu seinem Vertrauten.
Mit Maarouf im Kopf und dem alten Dienstausweis in der Tasche rast Fallner durch das Land. Er blickt auf die vorbeifliegende Landschaft, auf sich, auf die Mitreisenden. Wenn es ihn juckt, macht er sich wichtig, und wenn er Auslauf braucht, sucht er sich zwischen zwei Zügen eine nette Kneipe mit freundlichen Gästen in Bahnhofsnähe. Und immer öfter blitzt aus diesem Wahnsinn das Glück durch. Wohin das führen mag, man wird sehen …
Franz Dobler hat Rhythmus, er hat Stil, er hat Witz. Er nimmt den Leser vom grotesken Intro mit einem über das Sein und die Welt philosophierenden ICE mit in die Welt des vom Dienst suspendierten Fallner und verzichtet dabei auf eine Gut-oder-böse-Dramaturgie. Den Hard Bop dazu bläst Lee Morgan. Gott sei seiner Seele gnädig. (Jürgen Kannler)
Franz Doblers 344 Seiten starker Roman »Ein Bulle im Zug« erschien Ende August bei Tropen/Klett-Cotta.