Das neue Kabarettprogramm der Augsburger Puppenkiste setzt sich geistreich mit vergangenen und kommenden Tops und Flops der vielleicht »Goldenen 20er« auseinander. Die Premiere am Silvesterabend begeisterte das Publikum.
Premiere in der Puppenkiste

Die Hoffnung stirbt zuletzt! Das galt in einem immer wieder auch kritische Töne anschlagenden, gendergerechten („Grüß‘ Euch Gott liebe Bubele, Mädele und Diversäle …“) und wirklich amüsanten Kabarettprogramm „Die Goldenen 20er“ nicht allein für die in vier Fortsetzungen präsentierte Schlagernummer „Ein Schiff wird kommen“. Die junge Frau am Pier altert synchron zum herzerweichend geschmetterten Sehnsuchtslied und trifft erst als Skelett auf den geliebten (Sensen)-Matrosen, der endlich doch noch den Hafen in Piräus ansteuert. Eine flotte Charleston-Nummer zum Auftakt und ein Finale mit der lasziven Stuhlnummer der Sally Bowles aus dem Musical „Cabaret“ lieferte die geniale dramaturgische Klammer in einer ebenso abwechslungs- wie geistreichen Nummernrevue. Neben den rund 90 klassischen Marionetten wurden auch Stab- und Handpuppen wie etwa die putzig-flotten Erdmännchen zu lange beklatschten Silvesterstars. Ganz cool kamen Aufstieg und Fall des legendären Gangsterpaars Bonnie & Clyde gar im Scherenschnitt- und Schattentheater-Format auf die Minibühne, auf der natürlich der Kasperl als frotzelnder Gastgeber mit von der Silvesterpartie, der Augschburgs Nahverkehrstricks ebenso als Lachnummer entlarvte wie Andi Scheuers Rechenschwäche und dank des Sensationsfundes von Udo die Allgäuer in Summe als „Missing Link zwischen Tier und Mensch“ deklarierte.
Begeisterung ernteten auch die ganz besonders umweltfreundlichen E-("Iiihh")-Bike-Modelle, die aus Kaugummi und Nasenpopeln gefertigt waren, der moderne Löwe, der ein Zebra auf Instagram stellt („Mein Essen“) oder die im Funkloch auch analog aus dem Ruder laufende Online-Sprechstunde, das großartig in Szene gesetzte Männerbashing-Chanson „Ein Neandertaler“ oder der Sketch zwischen Elektriker und Papagei. Kunstfertigkeit und virtuoses Puppenspieler-Handwerk demonstrierte der olympische Kunstturner in einer atemberaubenden Präzisionsnummer, in der er sich so gar nicht verhedderte und damit in jedem Fall die Goldmedaille verdiente. Gerne noch länger hätte man auch über die schrägen Strategien im „Igor-G.-Frankenstein-Labor“ gelacht, in dem sich unsere politische Führungsriege zur längst fälligen Persönlichkeits-und Kompetenz-Optimierung einfand. Der clevere Politiker-Konstrukteur Igor startete beherzt seine futuristische Charmeoffensive, um die offensichtliche Mängelliste zu beheben: Söder freute sich über die neuen FJS-Anteile, auf dass sein Frankendefizit getilgt und der Weg zur Kanzlerschaft frei werde, AKK wollte die fehlende Portion Humor implantiert haben, Kevin männliche Größe und Lindner mehr Herz und Hirn – am Ende lief es dann wie immer auf den Schmusekurs der GroKo und damit die unzweideutige Verschmelzung von Angela mit SPD-Altpartnern hinaus.
So glänzte die „20er“-Jahre-Show der Augsburger Puppenkiste, die bewusst im Rückblick auf die Altlasten der vergangenen Jahrzehnte und ganz im Sinne der reichlich missverstandenen „Plastik-Meer-Weg-Flaschen“ auch die nicht ganz so goldigen Perspektiven der Zukunft des gefährdeten Planeten aufspießte, mit nachhaltigem und lange nachhallendem Unterhaltungswert. Den kann man natürlich ab sofort ganzjährig genießen, insofern man ein Ticket ergattert!
Bis 27. Juni 2020. Tickets unter:
www.puppenkiste.de