Das H2 zeigt »Die Sammlung Neue Kunst VII«
Sieben

Seit neun Jahren hat Augsburg mit dem H2 ein Zentrum für Gegenwartskunst. Seine loftartigen Räume in den ehemaligen Produktionshallen im Glaspalast haben eine starke Wirkung, der sich auch Künstler nicht einfach entziehen können. Zum Glück.
Diese Wirkung ist für Thomas Elsen ein wichtiges Pfund, wenn es darum geht Künstler ins H2 zu holen. Um Ausstellungen auf den Weg zu bringen, hat er als Chef des Hauses meist nicht viel mehr finanziellen Spielraum, als den Angefragten die Transportkosten zu ersetzen. Überzeugungsarbeit leistet er nicht mit Handgeld, kostspieligen Publikationen oder bezahlten Arbeitsaufenthalten. Elsen bietet seinen Gästen Idee und Raum. Trotz dieses erzwungenen Konzepts der schmalen Budgets zeigt seine Arbeit Wirkung. Einige heute etablierte Künstler hatte Elsen schon früh auf seiner Liste. Er verfügt über ein gutes Gespür für Qualität und versteht es, mit jungen Talenten zusammenzuarbeiten. Ins H2 geladen zu werden, kann für diese durchaus ein wichtiger Entwicklungsschritt sein, auch wenn der finanzielle Aspekt dabei keine echte Rolle spielt. Umso erstaunlicher ist es, in der aktuellen Schau die Fortschritte der hauseigenen Sammlung zu verfolgen, zu der Elsen seit Ende Februar unter dem Titel »Die Sammlung Neue Kunst VII« lädt.
Raumbeherrschend ist Benjamin Appels Installation »Böden sind Treppen ohne Wände« von 2013. Elsen ist von der »inneren Stimmigkeit und klaren Vorstellung« überzeugt, die Appels Schaffen prägt. Die zehnteilige Arbeit schuf der Augsburger Künstler im Zuge der Verleihung des renommierten Erich-Hauser-Preises. Zur Sammlung kam sie durch das Engagement der Freunde der Kunstsammlungen Augsburg. Im H2 wurden diese absurd anmutenden Tischelemente in die leere Halle gebaut. Erst nachdem die Position der zu vier Gruppen arrangierten Objekte festgelegt war, machte man sich an die Hängungen. Im großen Raum finden sich vor allem fotografische Arbeiten. So eine ganze Wand mit winterlichen Motiven von Christof Rehm, mit der Handykamera aus dem Zugfenster heraus geschossen. Oder die farblich verblüffenden Aufnahmen von Michael Baumgartner. Diese Arbeiten stehen für sich, erlauben aber auch ein feines Zusammenspiel mit den Durchbrüchen und Blickachsen, die Appels Arbeit im H2 öffnet
Ganz allgemein fasziniert in dieser Ausstellung die Annäherung oder auch freundliche Einverleibung der Malerei durch die Fotografie. Wie lange an diesen Techniken gearbeitet wird, zeigen auch die beiden großformatigen Arbeiten des Zero-Künstlers Otto Piene aus den frühes 70er-Jahren, die der Sammlung dank einer freundlichen Stiftung zufielen. Verriet Pienes Farbgebung zunächst seine Nähe zur Pop-Art, finden sich bei den aktuellen Arbeiten eher Spuren der elegischen Werke von Gerhard Richter. So dokumentiert die Sammlung neben der Interaktion von Malerei und Fotografie auch die wechselnden Moden der Zeit.
Einige der Fotoarbeiten, wie die von Maik und Dirk Löbbert, setzen sich kritisch mit gesellschaftlichen Themen auseinander. Diese Positionierung ist wichtig, nicht zuletzt für Thomas Elsen. Er sagt, er habe »zu wenig Substanz für teure Projekte«, weiß aber sehr wohl, dass ihn seine bescheidenen finanziellen Mittel auch davor bewahren, die großen Namen samt ihren Themen einkaufen und »machen« zu müssen. In diesem Zusammenhang spricht er nicht ohne Ironie »vom Segen des kleinen Etats«. So gesehen ist er tatsächlich frei und kann innerhalb seiner Grenzen agieren, wie es ihm gefällt.
Die Malerei findet sich in der »Sammlung Neue Kunst VII« eher im Hinterhof des H2. Dort überzeugen vor allem die beiden großen, fleischig-brutalen Arbeiten von Norbert Tadeusz. Sie werden von ihrer starken Präsenz getragen und vertragen den Gang zwischen Fensterfront und Kabinettwand, fast möchte man sagen – spielend. Unerklärlich, warum es der Maler als Zeitgenosse von Lüpertz und Baselitz nicht in die vorderste Reihe geschafft hat.
Einige der gezeigten Arbeiten rufen Erinnerungen an Ausstellungen der letzten Zeit wach. Es sind gute Erinnerungen, denn Kunst der Gegenwart ist bei Thomas Elsen in guten Händen. Sein Ansatz als Sammler im Auftrag der Stadt ist es, einen homogenen Bestand aufzubauen. Dies gelingt ihm sichtlich. Die so geschaffenen Werte für unsere Gesellschaft stehen in keinem Vergleich zum Einsatz, den sie dafür zu bringen bereit ist. Man kann sagen, Elsen macht – käme es darauf an – einige gute Geschäfte für die Stadt. Die regelmäßig gebotenen Einblicke in den Stand der Sammlung nehmen die Freunde des Hauses in dieser guten Entwicklung mit. Dass dieser Einblick allerdings auf mehr als ein Vierteljahr angesetzt ist, ist unsinnig und wohl nur den fehlenden städtischen Mitteln für die Kunst der Gegenwart geschuldet. »Die Sammlung Neue Kunst VII« läuft bis zum 28. Juni.