Mit seiner flugs produzierten VR-Performance »shifting_perspective« legte das Ballettensemble des Staatstheaters Augsburg unter der Leitung von Ricardo Fernando nach in Sachen Virtual Reality.
VR-Ballett – ein Ausnahmevergnügen

Den Zuschauer »beamt« es ins Zentrum der leeren Tanzfläche der Brechtbühne, wo er knappe 45 Minuten lang umkreist wird von den 15 Tänzer*innen, die am »Solo bis Duo«-Improvisations-Projekt beteiligt sind. Oder ist es doch umgekehrt? Drehen nicht wir uns permanent auf unserem Stuhl, um die Solist*innen, die sich nacheinander in übergangslos fließendem Bewegungs- und Schrittmaterial des zeitgenössischen Vokabulars artikulieren? Raffinierte Effekte entstehen durch die Überblendungen und das Duplizieren. Wir sind den Akteuren komplett hemmungs- und abstandslos auf Schritt und Tritt auf der Ferse. Nie wieder dürften uns die Solist*innen, von denen viele erst seit dieser Spielzeit dabei sind, wieder so herrlich greifbar nah kommen – eine Vorstellungsrunde der besonderen Art!
Allein diese Chance werden sich die vielen Ballettfans nicht entgehen lassen, denn eine derart distanzlose Draufsicht auf die internationale Ballettcompagnie ist ein Ausnahmevergnügen. Unverblümt sehen wir ihnen und sie uns ins Gesicht, nachdem sie magisch, wie aus dem Nichts plötzlich in unser räumliches Blickfeld geraten, um ebenso temporeich wieder zu entschwinden, abzutauchen in ein nicht näher definiertes Raum-Zeit-Nirvana. Fängt man sie dank eigener Drehkraft nicht ein, kann man die kurzen Sequenzen eben nicht in ganzem Umfang mit all den feinen Details von Mimik und Gestik miterleben. Ein wenig Vorsicht ist schon geboten – speziell wer nicht ganz schwindelfrei ist, sollte immer wieder kurz unterbrechen, um das eigene Gleichgewicht stabil zu halten! Das vom britischen Musiker Scanner im Jahr 2011 eingespielte »Pavillon d’Armide/Amarant«-Album nebelt den effektvoll beleuchteten Bühnenraum sowie den Zuschauer mit einem etwas indifferenten, aber für das Improvisieren im Modern gut geeigneten Soundteppich ein. Womöglich ist das auch ursächlich verantwortlich für das choreografisch/tänzerisch am Ende recht monotone Gesamtpaket, das natürlich bewusst Werkstattcharakter besitzt. Primär gelungen ist in der geforderten Schnelle der Produktionszeit ein weltweit vorerst einzigartiges VR-Tanzprojekt, das unser ohnehin sehr kreatives digitales Tanzszenen-Portfolio mit 360 Grad-eigener Nuance bereichert.