Was würdest DU tun?
Hans und Sophie Scholl warten im Februar 1943 Im Gefängnis Stadelheim auf ihre Hinrichtung - diese Stunden nimmt Udo Zimmermanns Kammeroper in den Fokus. Eine Handlung gibt es nicht, das Bild entsteht aus der empfundenen Todesangst, der Verzweiflung, den Visionen und Träumen. Die szenisch miteinander verwobenen Texte entstammen vor allem Tagebucheinträgen der Geschwister.
Die beiden Protagonisten sind auf der Bühne nicht allein. Regisseurin Seollyeon Konwitschny stellt ihnen einen 15-köpfigen Bewegungschor gegenüber: eine Masse gleichgültig-brutaler Mitläufer, nicht erreichbar für die Appelle an ihre Menschlichkeit. Dazu kommen die 16 Musiker. Diese drangvolle Enge verdeutlicht umso mehr die Einsamkeit und Isolation der Inhaftierten. Die Musiker mit ihrer souveränen Dirigentin Corinna Niemeyer lassen Zimmermanns Musik an unseren Nerven zerren, Dissonanzen und schrille Überlagerungen schlagen förmlich auf den Zuhörer ein. Gleichwohl entwickelt sich in den lyrischen Parts eine seelenvolle Empathie. Gut! Giulio Alvise Caselli und Samantha Gaul als Geschwisterpaar, das den Tod vor Augen hat, lassen uns sehen, wie sie mutig und verzweifelt den Henker erwarten: Stark und lyrisch, schrill und schwach. Vor allem die ideal besetzte Samantha Gaul besticht, weicher Wohlklang gelingt ebenso wie klirrendes Strahlen, darüber hinaus verleiht sie Sophie Scholl auch in Wort und Bewegung nachdrücklich Gestalt. Hier ist ein Kammerspiel von großer Eindringlichkeit gelungen, das den Zuschauer nicht in Ruhe lässt, das ihn mit Klängen und Eindrücken traktiert, die körperlich zu spüren sind.
In Zeiten, in denen weltweit Menschenrechte verletzt werden, in denen Demokratie offenbar keinen allzu hohen Stellenwert hat, in denen Rechte mit Nazi-Jargon ziemlich ungefährdet agieren können, macht es Sinn, aufzuzeigen, wohin so eine Haltung schon einmal geführt hat. Hans und Sophie Scholl – Teil der Widerstandsbewegung Weiße Rose – versuchten mutig und überzeugt von der Notwendigkeit ihres Tuns, die Menschen in Nazi-Deutschland mit Flugblättern aus ihrer Gleichgültigkeit und Unmenschlichkeit aufzuwecken. Das Risiko ihres eigenen Todes nahmen sie in Kauf. Diese »Weiße Rose« verortet zwar das Geschehen im NS-Staat, weist aber darüber hinaus. Es geht um die Frage der eigenen Position. Wärst du Teil der gleichgültigen Masse? Oder hättest du den Mut, zu sagen: Nein?
Nächste Vorstellungen: 23. und 28. Oktober, 2. und 13. November