Haydns »Die Schöpfung« wird in Ev. Heilig Kreuz im Rahmen des Deutschen Mozartfests zum atemberaubenden Original-Klangerlebnis.
Wenn »die Himmel erzählen«

Ungebrochen rangiert Haydns Oratorium »Die Schöpfung« – komponiert für drei Gesangssolisten, vierstimmigen Chor und ein großes Orchester – seit seiner Wiener Uraufführung im Jahr 1798 weit oben in der Beliebtheitsskala. Die Partitur wirkt bis heute licht, faszinierend und frisch, zumal wenn virtuose Interpreten im Zusammenspiel von Sujet, Musik und räumlich-akustisch herausragender Spielstätte einen wahrhaft erhebenden Zusammenklang generieren und damit »die Himmel erzählen«.
Das im Werk lebensbejahend ausgedrückte Lob der erschaffenen Welt fügte sich bestens in die erlesene Reihe der diesjährigen Konzerte des Deutschen Mozartfests und füllte Ev. Heilig Kreuz erwartungsgemäß bis auf den letzten Platz. Dies an einem Montagabend, an dem allerdings ein oder zwei Zuhörer filmend übergriffig wurden und das Missfallen der Sopranistin Anna Lucia Richter erregten, die ein deutliches »Nicht filmen, das nervt!« zum Arienauftakt loswerden musste. An der Sensibilität, die das Klassikhören erfordert, lässt sich also durchaus noch arbeiten, zumal wenn es sich um Kirchenräume handelt, in denen Bänke knarren, Huster noch nerviger als sonst sind und krachend zu Boden fallende Gerätschaften empfindlich stören.
Haydn formulierte seinen Anspruch an die tonmalerisch geprägte »Schöpfung« mit dem Wunsch nach ewigem Bestand, der ihm definitiv erfüllt wurde. Kein Wunder, dass »Il Giardino Armonico« unter Leitung von Giovanni Antonini seit Jahrzehnten zu den führenden Originalklang-Ensembles zählt. Souverän wie die Mailänder, dabei höchst akkurat vom Chor des BR bestärkt, den dynamischen und melodischen Kontrastreichtum auskosteten. »Furchtlos« und frei stellten sie klar, worin Reiz und Reichtum samt der aufklärerisch-originellen Schöpfer-Kraft des musikalischen Vorausdenkers Joseph Haydns liegen. Dieses orchestrale Aha-Erlebnis schienen die Solisten noch zu toppen, die ihren kommentierenden Erzengeln auf atemberaubende Weise Gehör verschafften. Insbesondere der Bass Florian Boesch lebte seinen Part stimmlich verschmitzt und in allen Zügen aus, schilderte Wetter- und Naturphänomene samt »kriechendem Gewürm« mit passender Mimik so innig und plastisch, dass man sich mit ihm über seine Textpassagen freute. Maximilian Schmitt glänzte mit tenoraler Dezenz, während Anna Lucia Richter mit enormer Reichweite und Leuchtkraft ihres stets mit stilistischer Finesse präsentierten Soprans verblüffte und im dritten Teil als Eva ihren Adam vokal verführte und die Frau als Krone der Schöpfung etablierte. Großartig, was auch die vielen und intensiven Bravi-Rufe betonten!
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Foto: Christian Menkel