Die Operette – kokett und frivol, altbacken und harmlos, Kitsch oder Kunst? Ganz klassisch – die a3kultur-Klassik-Kolumne
Wenn die Lippen schweigen

Nicht selten schrieb man ihr gar sittengefährdendes Potenzial zu, der guten und eigentlich doch gar nicht so alten Operette, die sich als eigenständige Kunstform um die Mitte des 19. Jahrhunderts von Paris aus in den Spielplänen der Welt etablierte. Sie verlangt szenische Opulenz, um ein häufig seichtes Libretto mit vorhersehbaren Dialogen zu kaschieren, unterhält mit flotten Tanzeinlagen und melodiösem Säuseln samt orchestralem Schwung. Mit reichlich Champagnerlaune versetzt, bereichert die Operette in all ihren Facetten unsere Silvesterprogramme. Gerade zum Jahresausklang darf man sich auch einmal ganz ungeniert an der sogenannten leichten Muse erfreuen. Theatermacher wissen dagegen, wie viele Fallstricke eine überzeugende Operettenproduktion bereithält. Schnell kann eine Inszenierung, die das Genre nicht ernst genug nimmt, unfreiwillig zur Parodie werden.
Wer die Operette mit dem Pauschalurteil »olle Kamelle« längst vom Musical überholt oder gar gänzlich tot glaubte, den belehrt die Theaterspielpan-Statistik eines Besseren. Ob sie im Gewand der »Fledermaus« (übrigens am 9. Januar als Gastspiel des Operettentheater Salzburg im Parktheater zu erleben) oder im exotischen »Land des Lächelns« spielt, die Operette erfreut sich bester Gesundheit. Und das ist auch gut so! Wer sich davon überzeugen will, der hat dazu bereits ab dem 7. Dezember mit der Staatstheater-Premiere von Franz Lehárs Klassiker »Die lustige Witwe« im martini-Park Gelegenheit. Regisseurin Andrea Schwalbach, deren frische Erzählweise das Augsburger Publikum bei ihrer »Zauberflöte« begeisterte, widmet sich dem heiteren Stoff, in dem es neben ganz viel Lust auf Liebe immerhin um die Vereitelung eines Staatsbankrotts geht, mit Tiefgang, ohne den bissigen Operettenwitz preiszugeben.
Einen Abstecher nach München lohnt auch die bereits mehrfach prämierte Revue-Operette »Drei Männer im Schnee« nach dem Roman von Erich Kästner, die Entertainer Thomas Pigor als Auftragswerk für das Gärtnerplatztheater schuf. Die Premiere wurde übrigens von BR-Klassik live übertragen und wird vom Deutschlandfunk Kultur am 28. Dezember bundesweit ausgestrahlt.
Ebenfalls nicht ganz so bekannt wie zum Beispiel Millöckers »Bettelstudent« oder Ralph Benatzkys Singspiel »Im weißen Rössl« dürfte das »Dreimäderlhaus« von Heinrich Berté nach Melodien von Franz Schubert sein. Das wiederum zaubert am 28. Januar 2020 mit dem Gastspiel der Wiener Operettenbühne eher biedermeierzeitlichen Flair ins Parktheater. Prosit Neujahr!