In bester (geschlossener) Gesellschaft

Dürer, Holbein, Cranach – einige der wertvollsten und schönsten Gemälde unserer Region und von Weltformat sind seit mittlerweile bald 500 Tagen für die Öffentlichkeit tabu.
Die ehemalige Katharinenkirche ist die Heimat einiger der wertvollsten und schönsten Kunstwerke unserer Region, wenn nicht gar der Kunstwelt an sich. Hier findet sich nicht nur das ikonische Bildnis des Jakob Fugger mit dem Goldkäppchen von Albrecht Dürer. Der ehemalige Sakralbau im historischen Stadtkern beherbergt ebenso Meisterwerke von Bernhard Strigel, Hans Holbein d. Ä. und Lucas Cranach.
Seit bald 500 Tagen ist das Museum nun geschlossen – weitgehend unbemerkt von großen Teilen der Öffentlichkeit und kaum vernehmbar kommentiert von den Expert*innen und politisch Verantwortlichen. Hier zeigt die Stadt, die so gerne Kulturmetropole von europäischem Format sein möchte, wieder einmal die Fratze der kulturellen Ignoranz.
Auf die Meisterwerke in der Katharinenkirche wird kaum verwiesen
Wohl kein anderer Kunstort in Augsburg, vom H2 im Glaspalast zuweilen abgesehen, bringt seine Existenz so fantastisch auf den Punkt wie dieser. Dass diese Schatzkammer bisher nur über einen verschlungenen Pfad, der quer durch das Schaezlerpalais führt, zu erreichen war, konnte verschmerzt werden, führte der Weg doch durch die prächtigen Räume der dort ansässigen schwäbischen Barockgalerie und den fantastischen Festsaal des Palais.
Was jedoch immer schon etwas verwunderte, ist die Tatsache, dass auf die Meisterwerke der Katharinenkirche im Stadtraum bisher kaum verwiesen wurde. Andere Städte wären zu Recht stolz auf den Schatz in ihrer Mitte. In Augsburg fristeten sie ein Dasein in zu weit gehender Anonymität. Auch das ist wohl ein Grund dafür, warum die Bürger*innen nicht schon längst ein Wiedersehen mit den Kunstwerken einfordern. Es wissen einfach zu wenige Menschen von ihrer Existenz in unserer kleinen Fuggerstadt.
Die Katharinenkirche gehört faktisch nicht zu den Kunstsammlungen und Museen der Stadt Augsburg. Sie ist ein Satellit am Lech, Teil der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen (BSGS) in München. Wie unsinnig diese Chemie sein kann, ist aus der traurigen Legende des ehemaligen BSGS-Satelliten im Glaspalast nachzuerleben, das heute als Halle 1 firmiert.
Die Kosten werden deutlich höher sein, als zuerst veranschlagt
Aber es wird noch verzwickter, wie von den SGS zu erfahren war:
»Die weiterhin andauernde Schließung der Staatsgalerie in der Katharinenkirche Augsburg bedauern wir außerordentlich. Die Gründe hierfür liegen nicht allein museumsseitig oder in konservatorischer Hand. Die bauliche Verantwortung für die Katharinenkirche liegt beim Schulverwaltungsamt der Stadt Augsburg. Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen und auch die Kolleginnen und Kollegen im angrenzenden Schaezlerpalais wünschen sich nichts dringlicher als die baldige Wiedereröffnung und schauen dem anstehenden Holbein-Jubiläumsjahr 2024 mit Hoffnung entgegen, weil in der Galerie auch bedeutende Werke von diesem für Augsburg wegweisenden Meister präsentiert sind.«
Das Bildungsreferat Augsburg versicherte Anfang November fast zeitgleich, »gerade Rückmeldung vom Hochbauamt bekommen zu haben. Der Prozess der Sanierung läuft nun wohl an.«
Zeitnah sollen Statiker und Zimmerer auf den Weg gebracht werden, um zu evaluieren, wie der Schaden schnellstmöglich behoben werden kann. Wobei die Kosten dafür vermutlich deutlich höher sein werden, als zuerst veranschlagt. Erste Schätzungen gingen wohl von rund 25.000 Euro aus. Die Nachricht endet mit dem Zusatz, dass sich Stadt und Freistaat laut Vertrag die Kosten teilen werden. Diese Meldung gibt angesichts des Finanzdebakels beim Bau des Staatstheaters jedoch keinen Anlass zu besonderem Optimismus. Auch dort teilen sich Staat und Stadt die explodierenden Kosten.
Auf Nachfrage nach dem Grund der nun bald 500 Tage andauernden Schließung konkretisieren die BSGS:
»Grund für die Schließung waren nicht Probleme mit der Statik. Im Rahmen einer technischen Überprüfung der im Jahr 2001 eröffneten Staatsgalerie Augsburg installierten Beleuchtungsanlage wurden Mängel festgestellt, die eine Ertüchtigung erforderlich machten, und die eine Gefahr für das Publikum hätten mit sich bringen können. Die Staatsgalerie in der Katharinenkirche wurde daraufhin am 17. März 2022 geschlossen. Mögliche bauliche Mängel wurden erst im Rahmen dieser Ertüchtigung festgestellt. (…) Das Schulverwaltungsamt als zuständige städtische Behörde wurde durch die IMBY (Immobilien Freistaat Bayern) informiert. Ein Ortstermin mit Vertretern der Schulbehörde hat stattgefunden.«
Fatales Signal der Stadt an die Welt
Von besonderer Bedeutung ist die baldige Wiedereröffnung der Katharinenkirche für die Museen und Kunstsammlungen Augsburg. Für das kommende Jahr plant man dort gegenwärtig das Festprogramm anlässlich des 500. Todestages des Augsburger Malerstars Hans Holbein d. Ä. Am 25. Juli 2024 soll die Jubiläumsausstellung eröffnet werden und das hochkarätige Begleitprogramm starten. Welch fatales Signal würde die Stadt in die Welt senden, wäre zu diesem Termin der Basilikazyklus des Meisters in der Katharinenkirche nicht zu bestaunen. Einen kurzfristigen Umzug der Meisterwerke halten die Expert*innen für ausgeschlossen.
500 Tage nach Schließung der Katharinenkirche halten wir fest:
»Der Prozess der Sanierung läuft nun wohl an.«
»Stadt und Freistaat teilen sich laut Vertrag die Kosten.«
»Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen und auch die Kolleginnen und Kollegen im angrenzenden Schaezlerpalais wünschen sich nichts dringlicher als die baldige Wiedereröffnung und schauen dem anstehenden Holbein-Jubiläumsjahr 2024 mit Hoffnung entgegen.«
Die Augsburger City verliert zunehmend an kultureller Strahlkraft
In der Zwischenzeit verliert die Augsburger City zunehmend an kultureller Strahlkraft. Stellvertretend für diesen Niedergang steht ein Stadtrundgang der Schande. Man muss es so sagen: Es geht vorbei an leerstehenden, unbespielbaren, verscherbelten oder anderweitig der öffentlichen Nutzung entzogenen Kulturorten. Es geht um einige tausend Quadratmeter in bester Citylage. Die Orte hießen oder heißen: Altes Stadtarchiv, Grottenau, Römisches Museum, Staatstheater Augsburg, LMZ, Gignouxhaus oder Katharinenkirche. Damit befindet sich der Kunsttempel zumindest in bester (geschlossener) Gesellschaft.