Virtuell und interaktiv unterwegs auf dem digitalen Brechtfestival. Ein Erfahrungsbericht von Marion Buk-Kluger
Dieser Ersatz macht Spaß

Seit dem 26. Februar sind meine Abende und Nächte fest verplant: Ich bin auf dem Brechtfestival unterwegs, virtuell versteht sich, denn 2021 läuft alles unter dem Motto #digitalbrecht. Konkret heißt das: Ab 19:30 Uhr sitze ich vor meinem iPad, logge mich mit dem Festivalpass und dem dazugehörigen Code ein und lausche im Livestream dem Studiotalk der Festivalleiter Jürgen Kuttner und Tom Kühnel aus dem Kino Babylon in Berlin. Wobei meist ersterer mit seiner »Berliner Schnauze« mit den jeweiligen Akteuren, deren Produktion im Laufe des Abends gezeigt werden, plaudert bzw. eine Salve an Informationen loslässt. Das strengt an, ist aber dennoch amüsant und erfreulich, vor allem, wenn der ein oder andere Künstler aus dem Brechthaus in Augsburg zugeschalten wird. Schließlich ist es ja das Augsburger Brechtfestival und diesen Lokalkolorit braucht man als Kind der Stadt dann doch.
Statt der eigenen persönlichen Begrüßung anderer Teilnehmer*innen am Event im Foyer läuft in dieser Version des Spektakels das Ganze via Chat ab – wenn man will! Allerdings weiß man selten, wer schreibt, denn kaum einer ändert seinen Fantasienamen, den das System vergibt. Die parallele Möglichkeit ist mitunter auch Ablenkung während der Stücke. Es kann aber auch durchaus beruhigend sein, wenn man liest: »Es hängt, der Ton ist weg, ich seh nix mehr.« Man freut sich fast, dass es dann doch nicht an der eigenen Internetverbindung auf dem Land liegt, sondern am Stream. Meist ist auch gleich alles wieder da, und zur Not könnte man ja Versäumtes in der Mediathek nochmals sichten, die bis zum 8. März (um einen Tag verlängert) die meisten Produktionen abspielen lässt.
Das gemeinschaftliche Applaudieren bei Live-Veranstaltungen wird ersetzt durch Klatsch- und Luftballon-Symbole, die jeder anklicken kann. Allein dies vermittelt ein gewisses Gefühl der Gemeinsamkeit, das natürlich eine Veranstaltung vor Ort nicht ersetzen kann. Aber dieser Ersatz macht Spaß und so pilgere ich am Ende eines jeden Abends in das Airmeet-Treffen (Foto). Dazu benötigt man allerdings einen festen Rechner und Google Chrome, um sich einloggen zu können. In dieser Art Videokonferenz-Meeting kann man sich an Tische setzen, sich mit anderen Festivalteilteilnehmer*innen audiovisuell unterhalten und auch mit den anwesenden Künstler*innen ins Gespräch kommen. Das verleiht dem Ganzen eine besondere Exklusivität, denn man kann direkt zu den Produktionen Fragen stellen, tauscht sich aus. Mancher Besucher kommt aus dem Ausland. Sogar aus der eigenen Stadt trifft man Menschen, die man wohl im realen Foyer nicht einfach so angesprochen hätte und verbringt zusammen einen langen Abend, um über das Festival, die bevorzugten Produktionen und mehr zu plaudern.
Es ist eine interessante, andere Art, ein Festival zu Brecht zu erleben. Ich habe mich darauf eingelassen und bin begeistert, aber auch ziemlich müde. Doch die kommenden drei Abende mache ich mich auf jeden Fall wieder auf ins virtuelle Geschehen um den großen Sohn unserer Stadt.