Film

Im Westen alles grausam

Als wäre die Tagesschau nicht schon genug, bringt nun auch Netflix mit einer Neuverfilmung von »Im Westen nichts Neues« die Schrecken eines Krieges zu Ihnen nach Hause und in ausgewählte Lichtspielhäuser.

Der 17-jährige Paul Bäumer (Felix Kammerer) und seine Freunde Albert (Aaron Hilmer) und Frantz (Moritz Klaus) schreiben sich im Frühjahr 1917 freiwillig in die deutsche Armee ein und reiten auf einer Welle patriotischen Eifers, die schnell in sich zusammenfällt. Ernüchtert und schockiert müssen sie feststellen, dass der Kampf um Deutschland keineswegs eine rein ehrenhafte Sache ist, sondern ein tödliches Gemetzel. Sobald sich die jungen Soldaten den brutalen Realitäten des Lebens an der Front stellen, gehören Tod und Verlust zu den täglichen Schreckensszenarien. Pauls Vorurteile über den Feind, über Recht und das Unrecht des Konflikts fallen bald wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Bis zum Waffenstillstand muss Paul jedoch weiterkämpfen, ohne den Wunsch der führenden Militärs zu erfüllen, den Krieg mit einer deutschen Offensive zu beenden. Und gerade als es so scheint, als hätten das Grauen und die Torturen ein Ende und die Männer könnten nach Hause fahren, trifft General Friedrich (Devid Striesow) eine folgenschwere Entscheidung. Denn eine Niederlage für Deutschland kann er nicht einfach hinnehmen.

Seit ich den Film vor einigen Tagen im Kino sah, schlafe ich schlecht. In Edward Bergers erster deutscher Verfilmung des gleichnamigen Klassikers von Erich Maria Remarque wird schonungslos, brutal und blutig gestorben. Zerfetzte Köpfe und Beine, und wenn Gewehr und Bajonett nicht mehr zur Verfügung stehen, greifen meist namenlos bleibende junge Männer auch zum Klappspaten oder in einer besonders heftigen Szene zum Helm, um dem Gegner im Nahkampf den Schädel einzuschlagen. Unerbittlich schleift die Kamera das Publikum durch den Horror der Schützengräben und des Niemandslands, die durch die detailgetreue Ausstattung und eine gelungene Mischung aus praktischen und digitalen Effekten eine schrecklich immersive Bühne bilden. Auch die kaum bekannten Gesichter (Kammerer, Hilmer, Klaus) und die wenig verbrauchten Köpfe (Albrecht Schuch, Edin Hasanović) tragen zu diesem Erlebnis bei. Subtil geht sicherlich anders, aber der Ansatz dieses buchstäblichen Trommelfeuers scheint für eine junge, mit Content überfrachtete Generation genau der richtige zu sein. Ein Erzählstrang, der im Buch nicht vorkommt, nimmt leider den Fokus von der emotionalen Fronterfahrung und bremst die Nähe zum Kriegsgeschehen aus. Berger zeigt die Friedensverhandlungen zwischen Deutschen und Franzosen zum Waffenstillstand im Zug und die Diskussionen der deutschen Diplomaten – unter anderem mit Daniel Brühl als Matthias Erzberger – untereinander. Im Interview mit dem NDR begründet Regisseur Berger diese Entscheidung damit, dass er ein Schlaglicht entgegen der »Dolchstoßlegende« der kaiserlichen Militärs und später der Nationalsozialisten werfen wollte. So weit, so verständlich.

Und trotzdem gelingt ihm eine inszenatorisch starke, mitreißende und dramatische Neuverfilmung eines absoluten Anti-Kriegsklassikers der Literatur- und Kinogeschichte.