Kunst in Dachau

Spätsommertage eignen sich bestens für Ausflüge zur Kunst in der näheren Umgebung. Bettina Kohlen hat sich in der Dachauer Altstadt umgesehen.
Natürlich ist der Zug das Verkehrsmittel der Wahl (Deutschlandticket). Von Augsburg aus geht es zunächst nach München, von dort weiter mit der S-Bahn bis Dachau, ab hier gibt es einen Linienbus. Bei der Ankunft wird deutlich: Dachau ist irgendwie zweigeteilt. Da ist einmal die geschäftige Neustadt, sozusagen der Alltag, und etwas erhöht darüber die hübsch herausgeputzte Altstadt, über der dann das Schloss thront. Da wollen wir hin, hier finden sich sehenswerte Kunst- und Kulturorte, einige Geschäfte und natürlich Gasthäuser und nette Cafés.
Erster Anlaufpunkt ist das unterhalb des Schlosses gelegene Bezirksmuseum, ursprünglich ein typisches Heimatmuseum der Zeit um 1900. Seit 2005 zeigt sich das Haus als zeitgemäßes Museum zur Kulturgeschichte der Region, das in seiner Dauerausstellung rund 2000 Exponate anschaulich präsentiert. Zusätzlich gibt es regelmäßig Sonderausstellungen; zur Zeit (noch bis 28. Januar 2024) geht es ums Brot – Lebensmittel, Handwerks- oder Industrieprodukt, das neben seinem Ernährungswert immer auch mit symbolischem Wert aufgeladen ist.
Einige Schritte weiter befindet sich die Gemäldegalerie, die mit Foyer und Ausstellungsräumen in den oberen Geschossen der Sparkasse residiert. Der erste Weg führt in die Sonderausstellung »Ins rechte Licht gerückt« (bis 24. September), die einen Überblick zur Stilllebenmalerei in der Künstlerkolonie Dachau gibt. Allerdings ist hier kuratorisch und inszenatorisch noch sehr viel Luft nach oben: Zusammenhänge wirken bemüht, die künstlerischen und qualitativen Sprünge werden kaum kontextualisiert. Nun denn ... Ab 20. Oktober folgt eine Ausstellung zur belgischen Künstlerkolonie Tervuren (bis 10. März 2024). Die Dauerausstellung hingegen ist wirklich sehenswert und thematisiert gut strukturiert anhand von rund 200 Arbeiten das Wirken der Künstlerkolonie Dachau. Hier gibt es vieles zu entdecken, vor allem bemerkenswerte Landschaftsmalerei.
Um 1900 entstanden an vielen Orten Europas Künstlerkolonien, so auch in Dachau. Die besondere Stimmung des Dachauer Mooses zog vor allem Landschaftsmaler*innen wie Ludwig Dill oder Adolf Hölzel an, Villen und Ateliers entstanden in dem kleinen Ort, der bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs ein Zentrum künstlerischen Schaffens blieb. Wer den Motiven der Maler*innen auf die Spur kommen möchte, kann sich auf den knapp 6 km langen Künstlerweg begeben (ein Flyer mit Standorten kann über die Website der Stadt Dachau heruntergeladen werden). Oder doch lieber Architektur? Die verschiedenartigen Künstlervillen, vielfach in Privatbesitz, können allerdings nur von außen besichtigt werden (Näheres auf der städtischen Website).
Einen Katzensprung von der Gemäldegalerie entfernt befindet sich in einem pittoresken Hinterhof ein ausgesprochen angenehmer Ort für die zeitgenössische Kunst – die Neue Galerie, bestehend aus zwei großzügigen ebenerdigen Räumen, die auch üppigere Installationen beherbergen können. Thematisch korrespondieren die Ausstellungen oft mit denen der Gemäldegalerie wie zuletzt bei »Inszenierte Momente. Stilleben heute«. Vom 16. September bis zum 26. November 2023 ist die Ausstellung »RaumZeitFalten« mit Installationen und Collagen von Astrid Busch und Christiane Fleissner zu sehen.
Schräg gegenüber der Neuen Galerie setzt die kleine, privat geführte Galerie Lochner vor allem auf Druckgrafik, hinzu kommen immer wieder auch Objekte und Skulpturen. Die wechselnden, gut bestückten Ausstellungen widmen sich jeweils eine/r Künstler*in, die bereits an der Kasseler Documenta und/oder der Biennale in Venedig teilgenommen hat. Als nächstes präsentiert die Galerie den österreichischen Maler Arnulf Rainer (14. September 2023 bis 7. Januar 2024). Ach ja: Die ausgestellten Arbeiten können erworben werden.
Nach so viel Detailfreude ist nun ein wenig Weitblick angesagt; in einem kurzen moderaten Anstieg geht es zum über der Altstadt thronenden Schloss Dachau hinauf. Oben wartet die Belohnung: Von einer Terrasse bietet sich ein überraschend spektakulärer Blick über die Stadt und das Dachauer Moos hinweg auf München – je nach Wetter mit oder ohne Alpen im Hintergrund.
Die mittelalterliche Burganlage wurde seit der Mitte des 16. Jahrhunderts als Landsitz der Wittelsbacher zu einer vierflügeligen Schlossanlage ausgebaut, die im Barock umgestaltet wurde. Die Nutzung als napoleonisches Truppenquartier setzte dem Bau sehr zu, so dass zu Beginn des 19. Jahrhunderts drei der vier Flügel abgebrochen wurden. Erhalten blieb lediglich der Festsaal-Trakt. Dieser Saal wartet mit einer grandiosen hölzernen Kassettendecke aus dem 16. Jahrhundert auf, sicherlich eine der schönsten ihrer Art. Sie ist erst seit 1977 wieder an Ort und Stelle, nachdem sie 1868 ins Nationalmuseum nach München verbracht wurde.
Hinter dem Schloss erstrecken sich der Hofgarten und der daran anschließende englische Garten, die lustwandelnd erkundet werden wollen. Hier lassen sich die verschiedenen Gestaltungsepochen erleben, denn der ursprüngliche Renaissancegarten wurde später barockisiert und schließlich im 18. Jahrhundert durch einen englischen Landschaftsgarten erweitert. Zu guter Letzt empfiehlt sich ein Gang durch die zauberhafte, als Laubengang ausgebildete Lindenallee – sehr schön und erhebend.
www.dachauer-galerien-museen.de
www.dachau.de
www.galerielochner.de
www.schloesser.bayern.de