Kunstspaziergang auf dem Campus
Schon von Weitem springen die bunten hoch aufragenden Rohre ins Auge, die aus der Wiese vor dem Institut für Physik wachsen und einen deutlichen spielerischen Kontrast zur rechtwinklig gegliederten metallverkleideten Fassade des Baus setzen. In zwei Gruppen (eine dritte befindet sich auf der rückwärtigen Seite des Instituts) hat der Künstler Edgar Knoop 12 Meter hohe farbig lackierte Stahlstelen arrangiert, die in unterschiedlicher Neigung aus der Senkrechten kippen. Was, wie der Titel der Installation – »Mikado« – suggeriert, nach Zufall aussieht, unterliegt jedoch einem präzisen Konzept, bei dem der Neigungswinkel den Zahlen der Fibonacci-Folge entspricht. Die spannungsreiche Konstellation der 1996 entstandenen Stangen, die in unterschiedlichen Abständen zueinander stehen, erschließt sich die*der Betrachter*in in der Bewegung, im Unrunden, im Näherkommen.
Auf der Rückseite des Gebäudes stößt man auf ein sehr viel reduzierter anmutendes Kunstwerk. Parallel zum Bau ausgerichtet, ruht auf drei glatten Betonsockeln ein 30 Meter langes leicht gekurvtes Stahlband mit angerosteter Oberfläche. Die gleichmäßige Krümmung lässt erahnen, dass wir es mit dem Segment eines Kreises zu tun haben – der allerdings einen Durchmesser von 3 Kilometern hätte. Wie Knoop setzt sich auch Hermann Kleinknecht bei seiner Plastik aus dem Jahr 1998 mit mathematischem Kontext auseinander, was natürlich gut in das inhaltliche und bauliche Umfeld passt. Und auch hier sollte man es nicht versäumen, das Objekt abzuschreiten, um Verlauf und Wandel der Ansichten zu erleben.
Ein Stück weiter erhebt sich beim Eingang zum Physik-Hörsaalzentrum ein 9 Meter hohes monumentales Objekt aus Stahl und Granit, das zu einer zweiteiligen Arbeit von Hiromi Akiyama gehört. Das nur etwa halb so große Pendant markiert den Eingang an der Westseite des Gebäudes, sodass beim Blick von Norden her beide Skulpturen gleichzeitig zu sehen sind. Die »Koordinaten« von 1998 bestehen jeweils aus zwei gleich großen aufeinandergeschichteten Quadern, der untere aus angerostetem Stahl, der obere aus rotem Granit. Diese senkrechte Ausdehnung wird in die Horizontale in Form zweier in den Boden eingelassener Platten aus Stahl und Granit gespiegelt, sodass ein gedanklich und ästhetisch reizvolles Spiel beginnt.
Einige Schritte weiter findet sich am Rand des Gebüschs eine Plastik, die an dieser Stelle ziemlich verloren wirkt. Die 1982 entstandene gut 6 Meter lange Cortenstahlarbeit von Hans-Jürgen Breuste befand sich ursprünglich vor der Mensa, musste dann dem Bau der Straßenbahn weichen und wurde schließlich 2004 an der jetzigen Stelle geparkt. »Rasterversion Drogheda« – der Titel bezieht sich auf die von Cromwell 1649 zerstörte irische Stadt und ebenso auf den Falklandkrieg von 1982 – nimmt Stellung zu Krieg und Zerstörung. Das wie Trümmer einer architektonischen Stahlkonstruktion anmutende kippende Gerüst ist Sinnbild der zivilisatorischen Folgen. Insofern fügt der aktuelle Standort einen eigenartig zynischen Aspekt hinzu …
Jenseits der Universitätsstraße beginnt der Kern-Campus mit seiner von Gottfried Hansjakob geplanten Gartenlandschaft. Dort, im halboffenen Hof des Instituts für Informatik, steht ein gewaltiges rotes Spielzeugpferd auf Rädern, Liebling aller Kinder. Die knapp 4 Meter hohe dunkelrot lackierte Stahlskulptur trägt den Namen »Trojaner«, ein Verweis auf das Trojanische Pferd der Antike, in dem griechische Soldaten versteckt waren – unsere heutigen Schadsoftware-Trojaner gehen ähnlich vor …
An dieser Arbeit des Kollektivs Inges Idee aus dem Jahr 2009 lässt sich auch der Wandel in der Kunst für den öffentlichen Raum in den letzten Jahrzehnten erkennen. Die in den ersten Jahren aufgestellten Werke, die wir in weiteren Rundgängen noch besuchen werden, bedienen sich vornehmlich traditioneller Materialien für Freiraumskulpturen wie Bronze und Stein und zeigen sich ungefasst, also ohne einen Farbauftrag. Bunt und deutlich spielerischer im Umgang mit Material und Thema wurde es erst in den späten 1990er-Jahren.
Während der südliche Teil der Universität eher nüchtern angelegt ist, wandelt man nördlich der Universitätsstraße auf geschwungenen Pfaden. Student*innen sind derzeit nicht allzu häufig auf dem Campus unterwegs, doch für Familien aus dem Univiertel ist die Parklandschaft ein ideales Spazier- und Spielareal. Hier sind auch die meisten der Kunstwerke auf dem Campus zu entdecken, die wir bei unseren nächsten Rundgängen besuchen. Da es vor Ort keine ausführlichen Informationen zu den Arbeiten gibt, empfiehlt es sich, den handlichen und hilfreichen Führer einzustecken.
www.uni-augsburg.de/kunst-am-campus
Zum 50. Geburtstag der Universität Augsburg erschien vor Kurzem als überarbeitete und ergänzte Neuauflage ein hilfreicher und handlicher Kunstführer, der auf 120 Seiten 30 Kunstwerke vorstellt. Kirchner, Constanze/Mühleisen, Hans-Otto (Hrsg.): Universität Augsburg. Kunst am Campus, 2., neu bearbeitete und ergänzte Auflage, Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg im Allgäu 2020, Preis: 5 Euro
Foto oben: »Mikado«, ein Ensemble 12 Meter hoher bunter Stahlstelen von Edgar Knoop, sind nicht, wie der Titel suggeriert, zufällig angeordnet, sondern nach mathematischen Prinzipien.