Ausstellungen & Kunstprojekte

»Schönheit entsteht in der Veränderung«

a3kultur-Redaktion

Vor dem Start ihrer spektakulären »Metamorphosen«-Ausstellung im H2 sprach Martina Vodermayer für a3kultur mit Herlinde Koelbl.

Sie gilt als bedeutendste Menschen- und Porträtfotografin unserer Tage. Doch im Dezember 2022 brachte Herlinde Koelbl (*1939) eine ganz neue Bildwelt nach Augsburg. Kurz vor der Vernissage mit letzten Details ihres Mammutwerks beschäftigt, obendrein grippegeplagt, nahm sich die vielfach ausgezeichnete Journalistin und Fotokünstle­rin etwas Zeit für unsere Fragen.
 
a3kultur: Liebe Frau Koelbl, wir wissen es sehr zu schätzen, dass wir in diesem nicht gerade günstigen Moment kurz mit Ihnen sprechen dürfen. Die erste Frage kennen Sie vermutlich schon: Wie kam es zu dem radikalen Schwenk in Ihrer Thematik?

Herlinde Koelbl: Es handelt sich nicht um einen Schwenk, sondern um eine Erweiterung. Früher habe ich mich nur auf Menschen konzen­triert, seit 2015 ebenso auf die Natur. Ich habe bei meinen Reisen Natur auf der ganzen Welt fotografiert, wollte mich aber nicht mit deren Abbild zufrieden geben, sondern etwas Neues kreieren. Neue Bilder, die teils erkennbar und zugleich abstrakt sind.
 
Sind Ihre Bilder farblich verfremdet?

Die Bilder in der Ausstellung und im Buch sind nicht verfremdet. Alle sind so präsentiert, wie ich sie aufgenommen habe, auch die Ausschnitte, und ich habe auch keine Filter verwendet. Alles ist so, wie ich es gesehen und fotografiert habe. Durch die Abstraktion ist etwas Neues entstanden.
 
Wie sah der Entstehungsprozess Ihrer Ausstellung aus – war sie von Anfang an für den Glaspalast konzipiert?

An meinen Projekten arbeite ich stets über Jahre hinweg, so auch an den »Metamorphosen«. Der begleitende Denkprozess war selbst eine Metamorphose meiner etwa 2015 begonnenen Arbeit. Ich wollte etwas anderes zeigen als die offensive, blühende Schönheit. Deshalb gingen mein Denken und meine Philosophie in die neue Schönheit der Veränderung, im Sinne von Verblühen. Die Strukturen sind verändert, manchmal die Formen und auch die Farben. Diese Ästhetik zu zeigen ist das Ziel meiner Arbeiten. In der Auseinandersetzung mit der Vergänglichkeit wurden meine Bilder auch immer abstrakter. Irgendwann war das Projekt für mich rund. Erst dann kamen Herr Dr. Elsen, mit dem ich schon länger Kontakt pflege, und der Glaspalast ins Spiel. Die Metamorphose ist beispielhaft für das ganze Leben. Es beginnt mit dem Werden, dem Entstehen, es gibt den Prozess des Vergehens und den des Wiederwerdens. Das sind die Hauptpunkte dieser Arbeit, siehe auch die drei Untertitel. Neben den Bildern gibt es in der Ausstellung zwei Videos, eine Hörstation, die Grabsteinprojektion, es ist eine facettenreiche Annäherung an das Thema, alles sind Teile meines 2022 abgeschlossenen Denkprozesses.
 
Wie bewegt man sich am besten durch Ihr gewaltiges Werk, dessen Vielfalt auch überfordern kann? Was würden Sie sich wünschen?

Am besten geht man ganz offen hinein – und nähert sich an. Offenheit ist das Entscheidende.
 
Was hat es eigentlich mit der »Studiowand« auf sich?


Wenn ich in meinem Studio an einem Projekt arbeite, pinne ich neue Bilder immer an die Wand. Ein fortlaufender Prozess der Erweiterung und des Sehens, manche Bilder verschwinden wieder, andere kommen hinzu, diesen Prozess habe ich täglich vor Augen. Die eine besonders dicht gefüllte Wand in der Ausstellung bildet diesen Prozess ab.
 
Hat diese Ausstellung also einen ähnlich privaten, ja intimen Charakter wie Ihre vorigen, etwa die Serie »Schlafzimmer«?

Meine Arbeit hat sich immer wieder mal mit privaten Situationen beschäftigt, denn das ist Teil des Lebens, wenn man Menschen fotografiert. Bei dem »Metamorphosen«-Projekt ist es nur eine andere Sichtweise. Aber auch hier ist das Leitthema Vergänglichkeit und Veränderung.
 
Dies entspricht ja auch ein wenig dem Zeitgeist …

Meine Themen unterliegen nie dem Zeitgeist. Ich setze Themen, aber springe nicht auf fahrende Züge. Meine Projekte dauern Jahre und sind immer etwas Eigenes.
 
Nun nochmals kurz die Frage, was genau es war, das Sie hinaus in die Natur zog. Hatten Sie sich am Menschen doch etwas abgearbeitet?

Überhaupt nicht. Es ist eine Erweiterung, auch aus technischer Sicht. Wie ein Maler eine Palette von Pinseln hat, so habe ich eine Palette von Themen. Mein Blick geht und bleibt auf Menschen, aber nun ist es Mensch und Natur, ist also eine Erweiterung meines Sehens, Schaffens und ganzen Werkes.