Diese Thelotts

Das Grafische Kabinett in der Maxstraße steht derzeit im Zeichen einer bedeutenden Augsburger Künstler- und Handwerkerfamilie und ihres abtrünnigen Sprosses.
Unter den vielen, oft nur wenige Straßenzüge umfassenden Stadtvierteln, die man sich als Zugezogener oder Zugezogene in Augsburg »draufschaffen« muss, sticht ein Name besonders hervor: Thelottviertel.
Das etwas gediegenere Viertel wird seinen Namensgebern durchaus gerecht:
Eine ganze Dynastie von Papiermachern, Kupferstechern, Gold- und Silberschmieden hat sich um diesen Namen herum gebildet. Ein paar davon begegnen den Besucher*innen in der Ausstellung, vor allem die zentrale (wenngleich weniger bekannte) Figur, der Kupferstecher Johann Philipp Thelott (1639–1671), sein etwas älterer Großcousin Johann Andreas Thelott oder auch dessen Vater Israel Thelott, beides Silberschmiede.
Sie alle waren Abkömmlinge einer im 16. Jahrhundert in die freie Reichsstadt Augsburg, welche zur Zeit der Konfessionskriege den Ruf der Parität innehatte, geflohenen Hugenottenfamilie, und alle machten sich im Bereich der Buchkunst sowie der Gold- und Silberschmiedekunst einen Namen, die in Augsburg mit seinen vielen von Fuggern und Welsern mit Gold und Silber belieferten Schmieden ein starker Wirtschaftszweig waren.
So prangt denn in einer Vitrine auch ein prunkvoller Silberkelch mit Szenerien aus der griechischen Mythologie und einem goldenen Sphinx obenauf. Es handelt sich um Johann Andreas‘ Meisterstück als Silberschmied. Und auch sonst wartet die Ausstellung mit nicht wenig Glanz auf: Silberne Buchdeckel, reichhaltig verziert, 14 gebundene Bücher und ein Dutzend Porträts z. T. von lokalen Größen wie dem Stadtschreiber Paul von Stetten. Oft dienen sie als Widmungen in Büchern oder als Autorenporträts. Eine fünfbändige Chronik, die in den Archiven von Stadtarchiv und Universitätsbibliothek schlummert und nun zumindest teilweise endlich einmal sichtbar ausliegt, gab viel Aufschluss über das Wirken und die Zeit der Thelotts.
Verlagswesen und moderne Netzwerke
Nach den zuletzt gezeigten »Frauen des Atelier Elvira« geht es in dieser Ausstellung wieder etwas männerlastiger zu, in den Räumen des Grafischen Kabinetts. Aber um die Menschen geht es hier auch fast gar nicht so sehr. Eher wird man als Besucher eingeführt in das marktwirtschaftliche System einer vergangenen Zeit, als Buchdruck noch etwas relativ Neues war, und Verlage, Handwerker und Künstler Hand in Hand den Buchmarkt zu moderner Reife führten – innerhalb von ebenso modern anmutenden Netzwerken, wenngleich noch ohne Xing und Facebook.
So führte – der Titel der Ausstellung sagt es schon – der Weg Johann Philipp Thelott als 25- oder 26jährigen nach Frankfurt am Main, wo damals schon Verlage und die Buchmesse, die eben nicht erst 1949 ins Leben gerufen wurde, sondern schon vor fünf Jahrhunderten existierte, mit Aufträgen und reichem Lohn lockten. Über die Gründe des Weggangs ist wenig bekannt. Vielleicht war der Markt in Augsburg einfach gesättigt und Johann Philipp sah hier keine Perspektiven für sein berufliches Fortkommen.
Eindrucksvoll ist sein »Bewerbungsbild«, eine doppelseitige Stadtansicht der Stadt Frankfurt. Dort wirkte Thelott denn auch bis zu seinem frühen, krankheitsbedingten Tod mit 32 Jahren. Er hinterlässt Stadtansichten, Porträts und Illustrationen, die seinen Stellenwert in der Branche der Kupferstecher, die zwischen Kunst und Handwerk angesiedelt sind, definieren.
»Johann Philipp Thelott - Von Augsburg nach Frankfurt« ist bis 12. Februar 2023 im Grafischen Kabinett in der Maximilianstraße 48 zu sehen. Jeden Sonntagnachmittag um 16 Uhr gibt es eine kostenlose Führung durch die Ausstellung.




