Ausstellungen & Kunstprojekte

Vom Wesen der Grenzen

Der spanische Künstler Rubén Martín de Lucas untersucht im Holbeinhaus das Wesen der Nation und entlarvt oftmals willkürliche Grenzsetzungen.

 

Der aus Madrid stammende Rubén Martín de Lucas, Jahrgang 1977, der sich vor allem mit Urban-Art-Projekten befasst, bespielt zurzeit die Räume des Kunstvereins Augsburg mit drei Werkreihen zum Thema Nation und Grenze. Schon der Ausstellungstitel, »Stupid Borders« macht klar, wohin die Reise geht.

Auch wenn wir, bestimmt durch Internet und Globalität, das Gefühl haben, Grenzen würden zunehmend verschwinden, Nationalität und Nation verlören an Bedeutung: Das Gegenteil ist der Fall. Zwar fiel 1989 die Berliner Mauer, doch ansonsten sind Mauern und Grenzzäune weltweit auf dem Vormarsch, um die einen drinnen und/oder »die Anderen« draußen zu halten.

Wie willkürlich solche Grenzen gezogen werden und nach welchen Mustern Zugang gewährt oder verweigert wird, führt de Lucas uns hier vor Augen. Sehnsuchtsort oder Gefängnis? Das kommt auf den Standpunkt an. Grenzen selbst sind lediglich Markierungen, ihre Bedeutung liegt in der Definition dessen, was sie umschließen oder abtrennen und wie der Übergang sich gestaltet. Grenzen sind zuweilen als Zäune oder Mauern erkennbar, manchmal jedoch lediglich administrative Entscheidungen, die in der Natur nicht sichtbar sind, deren Überschreiten nicht immer als solches wahrgenommen werden.

De Lucas zeigt im Holbeinhaus drei Werkreihen, die das Thema der Nation und der »Stupid Borders« künstlerisch ausloten und das Beharren darauf entlarven. Seine performativen Arbeiten hält der Künstler in Drohnenaufnahmen fest, die als Film oder Standbilder zu sehen sind, ergänzt um knappe Handlungsanweisungen. Da die Drohne dabei auf Distanz bleibt, stellt sich unwillkürlich das leise Gefühl, einer Laborsituation beizuwohnen, ein.

Ein Eisberg eignet sich aufgrund seiner Eigenschaften wenig als Nationalgebiet. Doch de Lucas kaperte zahlreiche Eisberge und markierte seinen Anspruch auf das Gebiet jeweils mit einer Flagge. Nation oder nicht, das ist dem Eisberg aber egal, er schwimmt durch die Ozeane, ändert beständig Form und Größe. Nicht zuletzt durch den Klimawandel schmelzen Eisberge heutzutage und gehen im Meer auf. Die fluide Wesenlosigkeit von Nationen findet in den »Iceberg Nations« ihr perfektes Sinnbild. Ende Gelände.

Die Absurdität von Grenzziehungen spielt de Lucas ebenso in seinem Projekt »Minimal Republics« durch, für die der Künstler irgendwo jeweils 100 m2 besetzt und als Einpersonenrepublik definiert. Eine solche Reißbrett-Minination orientiert sich natürlich nicht an geografischen Gegebenheiten, sondern zeigt sich aufgeräumt als Dreieck, Quadrat oder Kreis. Die Sinnlosigkeit solchen Tuns offenbart sich sehr schön in einer beinahe slapstickartigen Videoarbeit, die uns zeigt, wie der Einwohner eines mit Steinen umrandeten Kreislandes, das hart am Meeressaum immer wieder überspült wird, seine Grenze wie ein Hamster im Rad abläuft. Nur ein einziger Schritt trennt ihn von der Restwelt, doch er geht ihn nicht …

Ein Stab, vielleicht zwei Meter lang, schwimmt irgendwo im Wasser, auf der einen Seite paddelt eine Person auf der Stelle, bewacht diese willkürliche Grenze, auf der anderen Seite reiht sich eine lange Schlange Wartender auf. Mehr passiert in der Videoarbeit »Bureaucracies« nicht, doch diese Untätigkeit macht die Absurdität des Ganzen nur deutlicher.

De Lucas kommt in seinen Arbeiten zweifellos ohne Umschweife zur Sache, doch unterfüttert mit der Ironie des Absurden ebenso wie einer gewissen poetischen Vergeblichkeit wahrt er präzise die Balance, bestens unterstützt durch die gelungene und ästhetisch überzeugende Inszenierung.

»Stupid Borders« ist bis zum 30. April im Holbeinhaus zu sehen. Führungen gibt es am 16. März um 18 Uhr und am 29. April um 14 Uhr. Zur Ausstellung erscheint eine Broschüre für 10 €.

www.kunstverein-augsburg.de

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