Glaspalast, Bürgerbeteiligung, Festivals – a3kultur-Herausgeber Jürgen Kannler sprach im Rahmen unserer Podcastreihe »Kulturregion trotz Corona« mit Augsburgs Kulturreferent Jürgen Enninger
»Wir brauchen einen Neustart Kultur«

Das Interview wurde kurz vor den Weihnachtsfeiertagen geführt. Es ist hier zusammengefasst zu lesen sowie unter www.what-goes-on.de im O-Ton als Podcast nachzuhören.
a3kultur: Eigentlich wollten wir uns im Rahmen der Großen Schwäbischen Kunstausstellung in der Halle 1 im Glaspalast treffen. Nun stecken wir mitten im Lockdown. Herr Enninger, wie geht es Ihnen?
Jürgen Enninger: Wenn man als Kulturreferent anfängt und für Themen zuständig ist, welche die Stadt und die Menschen in Bewegung bringen sollen, ist die aktuelle Situation sehr schwierig. Man möchte Fahrt aufnehmen, wird aber voll ausgebremst.
Sie haben die Halle 1 quasi bis zur letzten Sekunde vor dem Lockdown für Besucher*innen offen gehalten. Wie geht es mit diesem Ausstellungsort zukünftig weiter?
Es gibt viele Möglichkeiten, die man mit den Kunstschaffenden vor Ort diskutieren muss. Spannend fände ich beispielsweise, das lab30 in diese Richtung weiterzuentwickeln und das Festival im Glaspalast neu zu kontextualisieren. Einen Medienkunstschwerpunkt halte ich insgesamt für interessant. Wir freuen uns, wenn zukünftig Bewerbungen für die kuratorische Ausgestaltung der Halle 1 bei uns ankommen. An den Rahmenbedingungen hinsichtlich der Raumvergabe arbeiten wir gegenwärtig.
Im Glaspalast wird es also einen Kulturort geben, der allen Kriterien einer internationalen Ausstellungsinfrastruktur nachkommt und für den man sich im Kulturreferat zu klaren Bedingungen bewerben kann?
Ja. Als Rahmen setzen wir die Gegenwartskunst. Persönlich ist mir wie erwähnt auch das Thema Medienkunst sehr wichtig. Ich glaube, dass aktuell in Augsburg sehr viel in Sachen Augmented und Virtual Reality passiert und dabei einige Schnittstellen im Bereich der Kunst und Kultur entstehen.
Im Kommunalwahlkampf 2020 gab es seitens der CSU die Idee eines digitalen Römerlagers im Glaspalast. Ist dieses Projekt vom Tisch?
Die Idee einer Brückenausstellung hin zum eigentlichen Römischen Museum halte ich nach wie vor für charmant. Ob das im Glaspalast realisiert werden wird, kann ich jedoch noch nicht sagen.
Welche Infrastruktur muss im Glaspalast noch geschaffen werden?
Ich sehe die Rahmenbedingungen sehr positiv. Die Infrastruktur vor Ort für Ausstellungsprojekte ist sehr gut. Die Anbindung an den ÖPNV ist noch eine Herausforderung. Am Verhältnis der tausenden Quadratmeter an Ausstellungsfläche zum ziemlich kleinen Shop müsste man noch arbeiten. Ein Café ist immer super – auch darüber werden wir nachdenken.
Im Rahmen des Bürgerbeteiligungsprozesses stand zuletzt das Thema Museumslandschaft im Fokus. Was lässt sich mit den daraus gewonnenen Ergebnissen anfangen?
Der Museumsentwicklungsplan ist für mich erst einmal gesetzt. Bei uns geht es nun zunächst darum, ganz pragmatisch ein Thema nach dem anderen abzuarbeiten, um zu schauen, welche Steuerung wir vornehmen müssen. Gerade die partizipativen Aspekte wie die Einbindung freier Kurator*innen und die ganze Glaspalastthematik finde ich besonders wichtig.
Der Bürgerbeteiligungsprozess fand vor ihrer Zeit als Kulturreferent statt. Dennoch: Was hat die Stadt aus den internen Zerwürfnissen zwischen den städtischen Kunstsammlungen und Ihrem Vorgänger in diesem Zusammenhang gelernt?
Von den internen Zerwürfnissen habe ich nichts mitbekommen. Ich sehe konstruktiv nach vorne. Der Museumsentwicklungsplan war zentraler Teil meiner Bewerbungsgespräche und ich freue mich sehr auf die Umsetzung.
Welches Thema steht im Bürgerbeteiligungsprozess als Nächstes auf der Agenda?
Ganz grundsätzlich möchte ich festhalten: Durch Corona haben wir eine Situation, die alles auf den Kopf stellt. Wir erleben einen fundamentalen Einschnitt, der uns noch gar nicht richtig bewusst ist. Wir brauchen einen echten Neustart Kultur. Diesem Ziel dienen auch die aktuell laufenden runden Tische mit Vertreter*innen unterschiedlicher kultureller Sparten. Aus dem Zusammenspiel dieser neuen Erkenntnisse und den Ergebnissen der bereits vorliegenden Beteiligungsprozesse werden wir versuchen, eine Agenda zu setzen und weiterzuentwickeln. Von der Hoch- bis zur Subkultur möchte ich alle ansprechen: Wie können wir nach der Krise die Kultur in dieser Stadt in einem solidarischen Miteinander auf ein neues Fundament stellen?
Gilt das auch für die Leuchtturm- und Festivalthemen unserer Stadt wie Mozart, Brecht und Frieden?
Mir geht es darum, innezuhalten und zu schauen, wie wir die Themen neu strukturieren und wie die Schwerpunkte gesetzt werden. Wir sehen aktuell in der Coronakrise, dass sich Ungerechtigkeiten weiter verfestigen. Brecht zum Beispiel war in diesem Zusammenhang ein wichtiger Mahner. Da können wir noch mehr herausziehen. Das Große an Kultur ist ja, dass sie sich immer neu kontextualisiert und für uns einen Mehrwert erschafft.
Ist beim kommenden Brechtfestival die faire Honorierung der beteiligten Künstler*innen gewährleistet? 2020 war es nicht so und wurde bei der Pressekonferenz vom Festivalleiter Jürgen Kuttner auch entsprechend dargestellt.
Ich habe das bislang nicht so wahrgenommen. Dieses Thema wurde mir gegenüber bis dato nicht formuliert. Ich rufe Kulturakteur*innen generell auf, mich direkt anzusprechen. Ohne die Ehrlichkeit im Umgang miteinander werden wir keine Weiterentwicklung erreichen können.
Das Ziel der fairen Honorierung ist auch Teil des Koalitionsvertrags der schwarz-grünen Stadtregierung.
Es ist ein Alltagsthema für mich. Ich komme aus der Kreativwirtschaft, nicht weil ich Start-ups so cool finde, sondern deswegen, weil ich den Wert von kreativer Arbeit betone.