Klassik

Synagoge: Endlich wieder große Konzerte

Gastautor

Zwei hochkarätige Konzerte mit Frau Dr. Christina Drexel im Mittelpunkt waren bei der 1. Jüdischen Kulturwoche Schwaben in der Augsburger Synagoge zu erleben.

Humor und Besinnung mit dem Ensemble Feygele

Das im Herbst 2009 von Klezmer-Perkussionist Josef Strzegowski gegründete Ensemble Feygele (jiddisch für »Vögelchen«) bot am 10. Oktober bei seinem 11. Neujahrskonzert ein abwechslungsreiches Programm (Fotos: Ilya Kotov). Aktuelle Grußworte sprachen Prof. Dr. Klaus Wolf, 1. Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, der Antisemitismusbeauftragte der Staatsregierung Dr. Ludwig Spaenle sowie Prinz Ludwig von Bayern als Schirmherr.

Es erklangen Texte aus der jüdischen Liturgie, israelische Neujahrslieder, Hymnen auf die goldene Stadt Jerusalem. Der typisch jiddische Humor, lebhafte Tänze, ein Wiegenlied und Liebeslieder fehlten auch nicht. Die Lieder sang Christina Drexel ernst, mit Augenzwinkern, ausgelassen, fröhlich, engelsgleich. Sie war der Star des Neujahrskonzerts. Sehnsüchtig und teils wild begleitete Kristina Dumont mit der Violine. Gislinde Nauy entlockte der Sopran- und der Tenorblockflöte betörende Klänge. Josef Strzegowski als Schlagzeuger sah man die Freude darüber an, dass er wieder die gesamte Bandbreite seines Spiels zur Geltung bringen konnte. Ulrich Haaf begleitete kompetent am Klavier, Franz Schlosser verlieh mit dem Akkordeon vor allem den Tänzen bemerkenswerten Schwung, und Roland Höffner setzte immer wieder passend seinen Kontrabass ein.

Das Publikum sang stellenweise mit, feierte Feygele begeistert und erklatschte sich manche Zugabe. Den Abschluss bildeten ein Hallelujah und die Bitte um Frieden in der Welt.

www.feygele-klezmer.jimdofree.com

Großes Orchester beim Festkonzert

Zu Beginn des Festkonzerts der Bayerischen Kammerphilharmonie am 17. Oktober in der Synagoge, begrüßte der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Schwaben-Augsburg, Alexander Mazo, die Anwesenden und warnte vor zunehmendem Antisemitismus. Oberbürgermeisterin Eva Weber betonte in ihrem Grußwort die gute Verbindung mit den jüdischen Mitbürger*innen und versprach Hilfe bei der anstehenden Sanierung der Synagoge.

»Jubilee«, eine Fanfare für großes Orchester mit kräftigem Blech von Samuel Adler (geb. 1928), stimmte die vielen Besucher*innen ein. Weiter hatte Christina Drexel ein Jewish Medley für großes Orchester instrumentiert, das allen gut gefiel. Dabei wirkten auch die Musiker*innen von Feygele mit. Den Bayerischen Kammerphilharmoniker*innen war anzusehen, dass sie mit viel Freude vielleicht zum ersten Mal ein solches Werk aufführten.
 
Das Hauptwerk des Abends war die nicht häufig gespielte »Israel-Symphonie« von Ernest Bloch (1880 - 1959). Diese Symphonie ist sehr anspruchsvoll und erfordert eine perfekte Koordination. Der erste Satz beinhaltet ein Gebet in der Wüste. Dabei werden Motive vorgestellt, die im Folgenden immer wiederkehren. Im zweiten Satz wird das Versöhnungsfest »Yom Kippur«, auch ein Tag des Gerichts und der Buße, thematisiert. Dabei kommen sehr viele Blechbläser zum Einsatz, so dass der Raum scheinbar bebte. Im dritten Satz wird das Laubhüttenfest »Sukkot« mit leiseren, versöhnlichen Tönen gefeiert.
 
Christina Drexel führte das große Konzert energisch. Sie gab jeden großen und kleinen Einsatz der Instrumente sehr genau, leitete die leiseren Töne zurückhaltender, aber auch deutlich konzentriert. Es war zu spüren, dass sie nicht sich selbst in den Mittelpunkt stellte, sondern dem Werk und den Komponisten die Ehre gab.
 
Dankbarer, langer Applaus für alle Beteiligten beendete den beeindruckenden Abend und damit die 1. Jüdische Kulturwoche Schwaben in der weithin schönsten Synagoge.

www.kammerphilharmonie.de

Textbereich

Als erste deutsche Frau wurde Christina Drexel (Foto: privat) im Jahr 2000 an der Münchner Musikhochschule im Fach Musik und Theater aufgenommen. Zubin Mehta, der Chefdirigent des Israel Philharmonic Orchestra, lud sie als seine Studentin ein, an der Bayerischen Staatsoper zu hospitieren. Sie dirigierte schon während ihres Studiums verschiedene Orchester im In- und Ausland. Am Theater Ulm sprang sie bei einer Probe für den 1. Kapellmeister ein und dirigierte die Oper »Cavalleria Rusticana« von Pietro Mascagni vom Blatt. In Dresden dirigierte Christina Drexel die Oper »Der Besuch der alten Dame« von Gottfried von Einem und ein Kammerkonzert von Alban Berg. Ioan Hollender engagierte sie 2008 - 2010 als Dirigentin an die Wiener Staatsoper. Sie leitete mehrmals die rumänische Staatsphilharmonie beim George-Enescu-Festival in Bukarest.

Christina Drexel erwarb 2007 den Doktortitel in Musikwissenschaft zum Thema Interpretationsanalyse und schrieb die bisher einzige Abhandlung über Carlos Kleibers Dirigierweise mit dem Titel »Carlos Kleiber ... einfach, was dasteht!«, erschienen 2010 im Musikverlag Dohr Köln.

Christina Drexel engagiert sich seit Jahren für jüdische Musik und interreligiösen Dialog. 2019 dirigierte sie u.a. das »Symphonische Fragment, 9.11.1938« für Solo-Posaune und Symphonieorchester, das bei der Gedenkstunde zur Pogromnacht am 10.11.2019 unter Mitwirkung des Solo-Posaunisten des Bayerischen Staatsorchesters Ulrich Pfoertsch und dem Kammerorchester Maria Stern unter ihrer Leitung in der Synagoge Augsburg uraufgeführt wurde. Sie wirkte mit bei zwei CD-Einspielungen mit synagogaler Musik und israelischen Liedern zusammen mit der Band Feygele (»shluf sheyn mayn feygele« und »Avinu«).


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