Club & Livemusik

Auf Dylanreise in Augsburg

Gastautor

BAP-Barde Wolfgang Niedecken begeisterte das Publikum im ausverkauften Parktheater in Göggingen. Udo Legner war für a3kultur vor Ort.

Jede Geschichte hat ihre Vorgeschichte. Das erste Kapitel dieser a3kultur-Konzertkritik  über den Auftritt Wolfgang Niedeckens im Parktheater im  Kurhaus Göggingen geht gleich mit meinem Geburtstag los. Wer nämlich das Glück hat, gemeinsam mit Bob Dylan  – am 24. Mai  – Geburtstag zu feiern, dem ist es wohl in die Wiege gelegt, dass der Liedermacher aus Minnesota zum Kompass und Lifelong Companion wird.

Together Through Life – Familienbande

Den frühen Start meiner Neverending Bob Dylan Tour verdanke ich nicht nur meinen Eltern, sondern auch meiner großen Schwester, genauer gesagt, ihrem ersten Boyfriend. Ich war gerade mal vierzehn, als dieser die Alben des amerikanischen Liedermachers Ende der 60er Jahre – zu  Zeiten von Nashville Skyline – in mein Heimatdorf Ballmertshofen brachte und mir damit neue Horizonte und Wege eröffnete. Stationen meiner Dylanreise: 1975 – On the Road nach Duluth und Hibbing, ins North Country Fair, der Heimat des Song and Danceman aus Minnesota, mit meinem Studienfreund aus Saint Paul. 1978 – endlich mein erstes Bob Dylan Konzert (dem dreißig weitere folgten, das letzte gerade mal eineinhalb Wochen vor Niedeckens Augsburger Gastspiel im Pariser Grand Rex Cinema) auf dem Nürnberger Zeppelinfeld –  wo wir unser Banner »Ballmertshofen grüßt Bob Dylan und lädt ihn ein zum Filmfest« hochhielten. Seitdem warten wir auf den Liedermacher Bob Dylan und erinnern ihn durch die ein oder andere Veranstaltung – wie die Augsburger Dylan Days zu seinem 70. oder unsere Zoom-Hommage »A Nod to Bob«  (siehe: Just Kids: Pop, Poetry, Palaver) zu seinem 80. Geburtstag –  im Rahmen des Just Kids Festival – immer mal wieder an unsere Einladung vor über 40 Jahren.

Niedecken liest und singt Bob Dylan: Ein musikalisches Special für Fans von Niedecken, Dylan und BAP

Diese Ankündigung des Niedecken Gastspiels hatte dafür gesorgt, dass sich das Publikum im ausverkauften Parktheater aus Niedecken, BAP und Bob Dylan Fans zusammensetzte.

Dass sie allesamt auf ihre Kosten kamen, lag an dem speziellen Mix, mit dem der Kölsch-Rocker Niedecken die Konzertbesucher auf seine Dylanreise nahm. Neben den Dylan Songs, die von Wolfgang Niedecken (Gesang, Gitarre und Mundharmonika)  im grandiosen Zusammenspiel mit seinem Pianisten Mike Herting gecovered wurden, bestand die Setlist – insbesondere zu Beginn und am Ende des Konzerts – auch aus kölschen Liedern und immer wieder wechselte gar mitten im Lied die Sprache von Englisch auf Kölsch.

Großes Kino auch bei kölschen Songs

Dass solche Sprachenvielfalt vom Publikum eher als Bereicherung empfunden wurde, lag zum einen daran, dass viele die Kölschen Versionen von Niedeckens Dylans Songs schon von seinem 1995 erschienenen Album  »Leopardefell«  kannten. Zum anderen kam Niedecken dem Publikum dadurch entgegen, dass er – anders als Bob Dylan bei seiner Rough and Rowdy Ways Tour – ausschließlich Dylan-Klassiker auf die Setlist gesetzt hatte.

Dadurch fiel es den Dylan Fans leicht – auch wenn sie kein Kölsch verstanden – den Liedvorträgen zu folgen, liefen doch die englischen Lyrics im Kopf mit, ganz wie im Kino bei einem Film in Originalversion die Untertitel.

Den roten Faden durch den zweieinhalbstündigen Konzertabend – fast doppelt so lang wie das Dylan Konzert in Paris – bildeten die vorgelesenen Passagen aus Wolfgang Niedeckens Buch «Dylanreise«, einem Nebenprodukt der ARTE-Produktion »Bob Dylans Amerika», anlässlich derer Wolfgang Niedecken mit einem Kamerateam bereits vor fünf Jahren den Lebensspuren Bob Dylans gefolgt war. Dem Buch über diese Reise, für das er während des Corona-Lockdowns Zeit und Muse fand, folgte die Aufnahme des Albums »Dylanreise», von dem er sagt: »Es sind eigentlich drei Reisen – die Reise durch mein Leben, die Reise durch Dylans Leben und die Reise durch die USA.«

Passend zu den Stationen der Dylanreise sind die Songs gewählt. Die vorgetragene Passage zum ersten Drehort, dem  Lincoln Memorial,  handelt vom March on Washington und der »I Have A  Dream«-Rede von Martin Luther Kings und endet  folgerichtig mit dem Lied »The Times They Are A‘ Changin». In den Passagen über New York konzentrierte sich Wolfgang Niedecken nicht nur auf die Anfänge Bob Dylans als Songwriter und Folksinger zu Beginn der sechziger Jahre, sondern ging auch auf das von ihm 1992 besuchte Madison Square Garden Konzert anlässlich des 30jährigen Konzertjubiläums von  Bob Dylan ein. Niedecken wechselte vom Schwärmen zum Schwelgen, als er ausmalte, wie hingebungsvoll die Granden der Rock Musik, Roger McGuinn, Tom Petty, Neil Young, Eric Clapton und George Harrison dem Jubilar huldigten, indem sie sich die Strophen von »My Back Pages« - dem hohen Lied auf die Selbsterkenntnis und die Einsicht, dass sich Vieles nicht einfach in die Kategorien GUT und BÖSE einteilen lässt  – genial aufteilten.

Die Songzeilen für die Ewigkeit,

»Good and bad I spoke these words

Just like a wedding vow

Ah, but I was so much older then,

I'm younger than that now»,

dürfte dem Kurhaus Publikum dabei auch in der kölschen Variante in bester Erinnerung bleiben:

„Dat woor, als ich noch vill älder woor,
.... ess vill passiert sickher.“

Wann immer sich Wolfgang Niedecken Exkursionen in seine Lebensreise erlaubte, hatten diese mal mehr mal weniger unmittelbaren Bob Dylan Bezug.

Niedecken las Passagen vor, die von den Anfängen seiner Dylanreise  handelten. Er erzählte von seinem Aufstieg vom Bassisten zum Sänger in seiner Schülerband und davon, wie er nach seinem Kunststudium an den Wochenenden mit Mundharmonika und akustischer Gitarre durch die Kölner Szenekneipen zog und sich das Etikett »Südstadt-Dylan« erwarb.

Musikalisch herausragend bei Niedeckens Dylanreise waren die wehmütige Version von »Forever Young« und »One More Cup Of Coffee». Dass Niedecken dem Publikum auch sein erstes auf Kölsch geschriebenes Lied »Leev Frau Hermann« vorstellte,  hat wie das Schlusslied dieses Konzertabends »Songs sind Träume« nichts mit Dylan zu tun, aber jede Menge mit dem Werden und Wirken des Liedermachers Wolfgang Niedecken.

Das könnte Sie auch interessieren

a3kultur
Club & Livemusik, Theater & Bühne

Die Legende Roy Black

Bei seinem Geburtstagskonzert für den Schlagerstar Roy Black erinnert Kay Dörfel am Samstag, 25. Januar an den Sohn der Stadt.
Martin Schmidt
Ausstellungen & Kunstprojekte, Club & Livemusik

Stern-Stars, verkuppelt

Das Planetarium lädt zu einem Live-Gig mit den Soundfricklern Jürgen Branz und Tom Simonetti sowie Tristan Huschke (Visuals): Unter dem Namen Tonal Shades gibt es Klang, Bild, Improvisation, Planetariumskuppel.

Martin Schmidt
Club & Livemusik

Das heinzig wahre Kunze-Konzentrat

Der Rockpop-Poet Heinz Rudolf Kunze – solo, nur an Gitarre oder Klavier in der Stadthalle Gersthofen.