Klassik

Grand Plaisir - Adieu Mozartfest 2023!

So klang nach der Mozart-Zugabe am Sonntagabend das diesjährige Mozartfest Augsburg im Kleinen Goldenen Saal mit Bravo(ur) und sehr französisch inspiriert aus.

Mit den fünf Akten der imaginären Oper »Passion« machte das erst 2010 gegründete französische »Ensemble Les Surprises« seinem Namen alle Ehre. Es war ein überraschend, ja wundersam wohltuender, in jeder Hinsicht hochkarätiger Konzertabend mit Seltenheitswert, der ganz im Zeichen der »Tragédie lyrique« und der feinsinnigen Klangästhetik alter Instrumente stand und mit der Sopranistin Veronique Gens die ganz hohe Kunst des Barockgesangs erlebbar machte. Die intensive Liebe dieser Spezialist*innen zur (Opern)-Musik des 17. und 18. Jahrhunderts übertrug sich unmittelbar auf Herz und Seele des Publikums. So klang nach der Mozart-Zugabe am Sonntagabend das diesjährige Mozartfest Augsburg im Kleinen Goldenen Saal mit Bravo(ur) und sehr französisch inspiriert aus.

Dass ausgerechnet an diesem Abend einige Plätze leer blieben, lag womöglich daran, dass zeitlich parallel die »Fidelio«-Premiere des Staatstheaters über die Bühne ging. Glaubt man dem Hörensagen hatten die Klassikliebhaber*innen, die sich für Mozarts Fest und damit gegen Beethoven á la André Bücker entschieden, die bessere Wahl getroffen ...

In der »Passion« sind mit dramaturgischer Finesse Arien, Chöre und manch galante Préludes und damit Ausschnitte aus Opern und anderen Werken von Jean-Baptiste Lully, seinen Schülern und Zeitgenossen wie u.a. Marc-Antoine Charpentier collagiert. So kristallisierte sich – allerdings rein konzertant – in der fesselnden Interpretation durch die Solistin, das charismatische Orchester unter Leitung von Louis-Noël Bestion de Camboulas und den neunköpfigen Chor in barocker Manier viel Sphärisches, formten sich mythologische Frauenfiguren, die exzessiv leiden und inbrünstig lieben. Ob es die melodiöse Klage der Ceres, deren Tochter Proserpina von Pluto geraubt wurde oder der Furor von Armida, die sich in ihren Todfeind verliebt hat oder die zerstörerische Eifersucht der Medea ist – Veronique Gens durchleuchtete deren emotionale Abgründe, virtuos, kühn, beherrscht und ausbalanciert. Das war die personifizierte Eleganz einer reifen Sängerin, die ihr Können klug und wirkungsvoll präsentierte, die Spannungsbögen schuf, ohne in die Extreme zu gehen. Eindrucksvoll, wie Veronique Gens mit ihrem angenehm dunkel timbrierten Sopran das ganze vokale Spektrum von Wehmut, Schmerz, Sehnsucht, Hoffnung und Erlösung artikulierte. Erstaunlicherweise dachte man nur kurz darüber nach, ob die Nicht-Kenntnis der französischen Arientexte ein Defizit ist – was wiederum für diese vollendete Interpretationskunst spricht, dank der die Brisanz der Partien, die Wucht der Affekte unabhängig vom Libretto-Text kommuniziert wurden. Nicht weniger betörend schufen die rein instrumentalen Zwischenspiele die nötigen Gemüts-Oasen, zauberten sanftmütige Idyllen (sehr präsent neben den vier Flötisten, akzentuiert und mitatmend das (Zu)-Spiel des Theorben-Virtuosen Etienne Galletier!) und perkussiv beigesteuertes Gewitter herbei. Wie schön, dass es diese originelle »Passion« auch als Album gibt – ein Trost für alle,