Die Muse auf dem Sockel

Das performative Musiktheater »Mathildes Liebestod« feierte Premiere im Kühlergebäude im Gaswerk. Der Abend ist emotional und zieht das Publikum in seinen Bann.
Die Stimmung ist die eines lauen Frühlingsabends, im Kühlergebäude auf dem Gaswerkgelände ist es erstaunlich warm. Nur ein paar dutzend Leute sitzen links und rechts verteilt, in der Mitte des Raums thront ein Sessel auf einem kleinen Steinhügel, umrahmt von Metallstäben, künstlerisch drapiert wie ein eleganter Käfig, der dem Publikum einen voyeuristischen Zoobesucherblick verleiht.
Sally du Randt betritt die lauschige Szenerie und wird wie ihre Mathilde-Musenpendants auf einen Sockel gestellt. Sanft und einfühlsam beginnt das intime Musiktheater mit der bayerischen Kammersängerin. Die schön konzipierten Lichtstimmungen von Wolfram Obermeyer schleichen sich sanft in die Szenerie wie das begleitende Klavierspiel von Michael Wagner – immer präsent, aber nie aufdringlich. Den letzten Stimmungsschliff verleiht das mal mystische, mal romantische Sounddesign von Stefan Leibold. Zunächst gefangen hinter schmalen Gittern verschafft sich Sally alias Mathilde einen Weg in die Freiheit und erkundet spielerisch-kindlich und gleichzeitig sinnlich-feminin die schön gestaltete und an einen antiken Göttinnen-Tempel erinnernde Bühne von Christina Pointner.
Das Leben zweier berühmter liebender Mathildes wird hier verarbeitet. Einmal Mathilde Wesendonck, eine Lyrikerin des 19. Jahrhunderts, aus deren künstlerischem Werk, den »Wesendonck-Liedern«, Richard Wagner musikalisches Material für seine Oper »Tristan und Isolde« verwendete. Für Wagner war die Liaison mit seiner Muse nur eine kurze romantische Episode, für Mathilde jedoch Liebe und Leidenschaft ihres Lebens.
Zum anderen geht es um Mathilde Schönberg und die von ihrem Mann Arnold vertonten Lieder aus dem »Buch der hängenden Gärten«. Eine kurze, tragische und von Liebessehnsucht erfüllte Affäre mit dem Maler Richard Gerstl, der sich kurze Zeit später das Leben nahm, bestimmten ihr und Arnolds Leben.
Liebe, Sehnsucht, Trauer, Leidenschaft, Neugier – viele Emotionen prägen den kurzweiligen Abend und ziehen das Publikum in ihren Bann, so dass man nach knapp 60 Minuten überrascht ist, das alles schon vorbei ist. Kammersängerin Sally du Randt performt mal spielerisch, mal sinnlich, mal aggressiv, immer emotional, mit herausragender Stimme und den beiden Musen gerecht werdend. Für ein intensiveres Textverständnis der deutschen Lieder hätten für die Oper typische Übertitel nicht geschadet. Die Inszenierung von Yi Ling Heather Tan ist ein intimer Abend, der an einigen Stellen noch mutiger in die Performativität hätte eintauchen können, aber dennoch zum lyrischen Schwelgen und Nachdenken einlädt und uns einen emotionalen Einblick in die Seele zweier Künstlerinnen schenkt.
Weitere Vorstellungen: 19. & 26. März, 3. & 13. April.
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