Nie genug oder doch zu viel

Im Martini-Park feierte das Schauspiel »Linda« unter der Regie von Amina Gusner eine umjubelte Premiere. Die Theaterbesucher*innen sahen ein urkomisches, bitterböses und emotionales Stück. Ein Besuch wird nicht nur den Lindas dieser Welt empfohlen.
Linda (Natalie Hünig) ist eine Frau, die von unserer Gesellschaft als erfolgreich betrachtet wird. Sie hat zwei Töchter, einen Ehemann, ein Haus, eine Karriere. Sie hat alles.
Alles zu haben, ist aber nicht immer positiv. Das hat auch die US-amerikanische Stand-up-Comedienne Michelle Wolf erkannt: »Women can have it all. But having it all is not always positive – or did you ever feel good after an all-you-can-eat-buffet?« (Frauen können alles haben. Aber alles zu haben ist nicht immer positiv – oder haben Sie sich jemals gut gefühlt nach einem All-you-can-Eat-Buffet?).
Linda schafft das nicht nur alles, Familie und Karriere, sie übererfüllt die Anforderungen mit einem Lächeln auf dem Gesicht und passt dazu noch in ihre Klamotten aus den 1990ern.
Ihr scheinbar perfektes Leben bekommt jedoch Risse: Ihr Künstler-Ehemann (Patrick Rupar) steckt offenbar in einer Midlife-Crisis und beginnt eine Affäre mit einer Jüngeren, die ihn anhimmelt. Die beiden Töchter (Sarah Maria Grünig und Milena Kaltenbach) versuchen, sich aus dem Schatten der Mutter zu lösen, ihre Aufmerksamkeit zu bekommen und müssen gleichzeitig mit den an sie gestellten Anforderungen klarkommen. Linda zeigt dabei wenig Verständnis für die Probleme ihres Nachwuchses. Durchbeißen ist ihre Devise. Dann wird Linda jedoch nicht nur zu Hause von einer jüngeren Frau »bedroht«, auch im Büro verliert sie scheinbar gegen Amy (Christina Jung), einer jüngeren Version von sich selbst.
Frauen in ihren vielseitigen Lebensrollen stehen im Zentrum dieses Stücks: die Ehefrau, die Mutter, die Karrierefrau, die Schwester, die Tochter, die junge Frau, die ältere Frau, die Frau, die nie genug ist, oder die zu viel ist. Hünig verkörpert diese Linda fantastisch, als wäre diese Rolle für sie geschrieben worden. Humorvoll, stark, weich, verletzt, sorgend, hysterisch, kraftvoll – Hünig zeigt Linda in ihrer Vielseitigkeit und Vielschichtigkeit. Trotz des Titels ist das Stück aber keine One-Woman-Show: Die gesamte Schauspielleistung (vor allem der weiblichen Schauspieler*innen) ist an diesem Abend unglaublich stark. Das Publikum lachte an zahlreichen Stellen aus vollem Herzen mit, sodass es einige aus den Sitzen hob, um nur wenig später wieder mit den Protagonist*innen mitzuleiden. Mit verdientem, langem Applaus endete der knapp dreistündige Theaterabend.