Dasein

Spargel plastikfrei

Josef Rehm auf dem Fahrrad zwischen Spargel- und Kartoffelfelder
a3kultur-Redaktion

Spargel ist das Gemüse mit der größten Anbaufläche in Deutschland. Gudrun Pittroff-Glock sprach mit Spargelbäuerin Christine Rehm, die das edle Gewächs ohne Plastikabdeckung mit Erfolg zieht.

Auf dem Hof von Spargel Rehm beginnt die Saison gegen Ende April. Bestimmt vier Wochen später als bei all den anderen Spargelbauern. Machen sie etwas falsch? »Manche Gastronomen haben bereits Ende März den ersten Spargel auf ihrer Karte«, sagt Christine Rehm. Das ist einerseits möglich, weil eine große Menge an Spargel aus wärmeren Ländern importiert wird, und andererseits, weil seit circa dreißig Jahren Folie auf dem Markt ist, mit der man ganze Spargeldämme abdecken kann, um die Wärme unter der Folie zu speichern und den Spargel vor Licht zu schützen. »Es gibt mittlerweile aber auch Gastronomen, die auf unsere Ware warten. Deren Spargelsaison beginnt mit unserer ersten Ernte«, erklärt Rehm.

 

Spargelfolie sichert frühe Erträge

Auf mehr als 20.000 Hektar Fläche in Deutschland wird Bleichspargel kultiviert. Damit die Saison möglichst früh beginnt und so ertragreich wie möglich ist, bedarf es enormer Mengen an Abdeckfolie. Bislang ist diese nur schwer recycelbar. Meist ist sie so verschmutzt, dass sie nur noch verbrannt werden kann. Die einen sagen, die Folie wäre über zehn Jahre haltbar und könne dann recycelt werden. Die anderen sind davon überzeugt, dass die Spargelfolie während des Gebrauchs schon porös wird und Mikroplastikteilchen im Boden verbleiben. Vor gut sechzig Jahren haben die Eltern von Rehm mit dem Anbau von Spargel begonnen – ohne Folie. Das bedeutete: zweimal täglich Spargel ernten. Als die Folie auf den Markt kam, habe das Amt für Landwirtschaft den Anbau unter Folie extrem beworben, weil man dann nur einmal am Tag stechen müsse und sich daher erheblich Arbeitsstunden sparen würde, sondern auch wesentlich früher mit dem Spargelstechen beginnen könne. Etwa 98 Prozent der Spargelfelder in Deutschland liegen mittlerweile unter Folie.

 

Das Testessen der Familie Rehm

So kam es, dass auch Familie Rehm auf vier von insgesamt zwanzig Dämmen mit Folie experimentiert hat. »Der Ertrag war überwältigend«, erinnert sich Christine Rehm. »Die Menge aus den vier Dämmen war größer als die von den restlichen sechzehn.« Allerdings haben die Kunden den Unterschied im Geschmack bemerkt und die Familie darauf angesprochen. Verblüfft über die Rückmeldungen wurde umgehend ein Testessen mit Familienmitgliedern und Freunden veranstaltet, um die Geschmacksentwicklung beider Anbauarten auf den Prüfstand zu stellen. Das Urteil war eindeutig! Die Spargelstangen, die ohne Folie kultiviert wurden, wiesen ein deutlich besseres Aroma auf als die mit Folie. Rehm ist der Meinung: »Durch das beschleunigte Wachstum kann der Spargel sein Aroma nicht voll entwickeln.« Das war circa 1995. Seitdem baut die Familie ihren gesamten Spargel auf 1,3 Hektar Land ohne Folie an. Das ist eine überschaubare Fläche, verglichen mit den 3.000 Hektar manch anderer Anbieter. Trotzdem viel Arbeit für die Rehms, die konsequent auf chemische Herbizide verzichten und Unkraut ausschließlich per Hand jäten.

 

Alte deutsche Spargelsorten statt Hybridpflanzen

Bereits in zweiter Generation baut die Familie Spargel und Kartoffeln an. »Bei uns bewegt sich die Preisspanne pro Kilogramm Spargel von 9 Euro für Bruch und Köpfe bis 17,50 Euro für Klasse 1.« Die altdeutschen Sorten kosten 19 Euro. »Wir wollten eine Preiserhöhung vermeiden, kommen aber leider jetzt doch nicht drum herum. Vor allem die Lohnkosten sind eine große Belastung für uns!«, beklagt Rehm. Auf den meisten Spargelfeldern werden holländische Hybridpflanzen kultiviert. Diese zeichnen sich durch einen höheren Ertrag aus sowie durch Einheitlichkeit im Aussehen und im Geschmack. Die Einzigen in der Region, bei denen das nicht infrage kommt, sind die Rehms. Als Mitglied der »Slow Food«-Bewegung, entscheidet sich die Familie dabei ganz bewusst für neuere und alte deutsche gemischtblühende Bleich-, Violett- und Grünspargelsorten. Im Gegensatz zum weißen Spargel müssen die bunten Stangen nicht geschält werden, es genügt, die holzigen Enden zu entfernen. Sie sind nicht immer gerade und nicht besonders einheitlich in der Sortierung. »Für uns und unsere Kunden, unter anderem Sternekoch Tohru Nakamura, der gerade vom Gault-Millau mit vier Hauben ausgezeichnet wurde, kein Problem«, schmunzelt Christine Rehm. Die Spargelkreationen von Nakamura werden im Restaurant Tohru in der Schreiberei in München serviert. Wer lieber selbst kocht, kauft Rehms Spargel in Augsburg bei Rutanatur, dem Unverpacktladen in der Prinzregentenstraße, oder direkt ab Hof in Schrobenhausen.

www.spargel-rehm.de
 

12 kurze Lektionen über Plastik und die Welt 


Gesehen in der Ausstellung »Blumenpracht – neu gedacht!« im MUGS Schwabmünchen

 

1) Die massenhafte Verbreitung von Plastik begann erst in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts mit der Entdeckung, dass sich ein Abfallprodukt der chemischen Industrie für die Produktion des Kunststoffs PVC eignet.


2) Zwischen den Jahren 1950 und 2015 wurden weltweit 8,3 Milliarden Tonnen Plastik produziert. Das entspricht mehr als einer Tonne pro Mensch, der heute auf der Erde lebt. Den allergrößten Teil machen Einwegprodukte und Verpackungen aus. Nicht einmal zehn Prozent des jemals produzierten Kunststoffes sind recycelt worden.


3) 1978 entschied Coca-Cola, die legendäre Glasflasche durch Plastikflaschen zu ersetzen. Inzwischen sind To-Go-Becher und Einweggeschirr kaum noch aus unserem beschleunigten Alltag wegzudenken.


4) Von Plastik gehen viele gesundheitliche Risiken aus. Zahlreiche chemische Zusatzstoffe geben dem Material die gewünschten Eigenschaften, sind aber gesundheitsschädlich. Sie reichern sich in Innenraumluft und Hausstaub an.


5) Das Wissen um Mikroplastik in den Ozeanen ist weit verbreitet. Was nur wenige wissen: Die Verschmutzung von Böden und Binnengewässern ist je nach Umgebung zwischen vier- und 23-mal so hoch wie im Meer.


6) Weltweit werden jährlich etwa 6,5 Millionen Tonnen Plastik in der Landwirtschaft genutzt. 2018 wurden in der EU für Essen und Getränke mehr als 1,13 Billionen Verpackungen verwendet. Das wichtigste Verpackungsmaterial: Plastik.


7) Viele Kleidungsstücke werden aus Chemiefasern wie Polyester gefertigt. Deren Grundstoff ist Erdöl oder -gas. Je nach Produktionsart liegen die CO2-Emissionen eines Polyester-Shirts zwischen 3,8 und 7,1 Kilogramm.


8) Geht die Plastikproduktion ungebremst weiter, werden allein Kunststoffe bis 2050 rund 56 Gigatonnen CO2- Emissionen erzeugt haben. Damit gingen zwischen 10 und 13 Prozent des Verbleibenden CO2-Budgets für das 1,5-Grad-Ziel auf das Konto von Kunststoffen.


9) Eine Handvoll multinationaler Konzerne kontrolliert den globalen Plastikmarkt. Der größte europäische Plastikkonzern Ineos investiert Milliarden, um mit billigem Fracking-Gas aus den USA die Plastikproduktion in Europa weiter anzuheizen.


10) Die Deutschen wären gern Recycling-Weltmeister. Das ist aber Wunschdenken. Von den 2017 angefallenen 5,2 Millionen Tonnen Kunststoffabfällen wurden gerade mal 810.000 Tonnen wiederverwertet. Das entspricht einer Quote von 15,6 Prozent.


11) Seit China im Jahr 2018 einen Import-Stopp für Plastikmüll verhängt hat, wird mehr in Malaysia entsorgt. Der drittgrösste Exporteur von Plastikmüll nach Asien ist hinter den USA und Japan: Deutschland.


12) Im Jahr 2016 hat sich die globale Bewegung »Break free from Plastic« gegründet, um Konsumgüterkonzerne und Plastikproduzenten zur Verantwortung zu ziehen. 1.400 Organisationen und Tausende von Menschen haben sich bereits angeschlossen.

(Quelle: Plastikatlas 2019, Appenzeller/Hecher/Sack, CC BY 4.0, www.boell.de) 
 

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