Stadt und Wasser

a3kultur-Redaktion

Eigentlich erwarteten die Mitglieder des Kulturausschusses im Augsburger Rathaus an einem Herbsttag vor zwei Jahren von Martin Kluger und Götz Beck einen Plan, wie das Rathaus und die Fuggerei auf die Welterbeliste der UNESCO zu bringen wären. Doch Kluger, Chef der concret Werbeagentur und des context verlags, und sein Kunde und Projektpartner von der Regio Augsburg Tourismus GmbH ignorierten an diesem Nachmittag einfach die Tagesordnung und sprachen stattdessen über die Stadt und das Wasser. Sie referierten über die Flüsse Lech und Wertach, berichteten von weit mehr als hundert Kanalkilometern im Stadtgebiet und die bereits vor Jahrhunderten in vorbildlicher Weise praktizierte Unterteilung in Trink- und Brauchwasser. Von dort schlugen sie Brücken zu den Prachtbrunnen in der Maximilianstraße, zum historischen Wasserwerk am Roten Tor und zu den industriekulturellen Wasserschlössern am Hochablass und in der Wolfzahnau (Foto). Am Ende des Vortrags meldete sich Karl-Heinz Schneider, die deutlichste Kulturstimme der Opposition, zu Wort. Nach Einschätzung des SPD-Urgesteins war der Beitrag von Kluger und Beck rund und stimmig. Schließlich stimmte der Genosse geschlossen mit allen anderen anwesenden Stadträten dafür, Wasser zum UNESCO-Thema für Augsburg zu machen. Rathaus und Fuggerei waren damit fürs Erste versenkt. Wie konnte das geschehen?

Rathaus und Fuggerei vom Wasser verdrängt

Im Lauf der letzten Jahrhunderte gab es immer wieder Gelehrte, die Gefallen daran fanden, was die Augsburger so alles mit ihrem Wasser anzustellen wussten. Sie erforschten die historische Dimension von im Mittelalter vergebenen Wasserrechten, zeigten sich begeistert vom Sachverstand der hier wirkenden Wasserkrafttechniker, lobten die qualitätvollen Werke der Brunnenkünstler oder waren schlicht hingerissen vom Charme steinerner Zeugen einer fast schon vergessenen Industriekultur, die sich so anmutig, nahezu über der Zeit schwebend, im ruhigen Stauvorlauf der Kanäle zu spiegeln wissen.

Auf den ersten Blick hat Augsburg mit dem Thema Wasser nicht mehr zu tun als jede andere an einem Fluss gewachsene Stadt. Es brauchte sehr lange und wohl einen Mann wie Martin Kluger, um die verschiedensten Facetten dieser für Augsburg so spezifischen Gegebenheiten zusammenzutragen und zum ersten Mal zu einem übersichtlichen Bild zu ordnen. Als Sachbuchautor historischer Themen hat er in nicht einmal zehn Jahren weit über zwanzig Publikationen, vorwiegend im regionalen Kontext, vorgelegt. Das Konvolut an Werbebroschüren, die er in dieser Zeit allein für die Regio Augsburg produziert hat, nicht mitgerechnet. Diese Beschäftigung hat sein Gespür für historische Themen mit Potenzial geschärft. Nun ist Kluger aber auch ein erfolgreicher Kaufmann. Mit seinem relativ jungen Verlag und der Agentur, beides führt er zusammen mit Manfred Lehnerl, ist er gut im Geschäft. Manfred Kluger spürt wohl oft instinktiv, bei welchem Thema sich Ausdauer auch bezahlt macht. Einsatzbereitschaft und Fleiß schwäbischer Prägung, eine tiefe Verbundenheit mit der Heimatregion, gute Kontakte in Wirtschaft und Politik sowie das hilfreiche Quäntchen Glück, das für jedes Projekt nicht nur in seiner Startphase unentbehrlich ist, all diese Faktoren spielten zusammen und gaben Klugers Idee von UNESCO, Wasser und Augsburg die nötige Schubkraft, um abheben zu können.

Seinen ersten und vielleicht wichtigsten Projektpartner musste Martin Kluger nicht lange suchen. Er fand ihn nur wenige Stockwerke von seinen Agenturräumen entfernt, im Chefbüro der Regio Augsburg. Dort arbeitet Götz Beck. Der Tourismusmanager hat immer ein offenes Ohr, wenn es darum geht, seine Region touristisch nach vorn zu bringen. Man darf getrost davon ausgehen, dass Beck und Kluger vertraut miteinander agieren. Der context verlag ist so etwas wie die kreative Außenstelle der Tourismus GmbH, deren Gesellschafter die Stadt Augsburg und die benachbarten Landkreise sind. Kluger erledigt für Beck Werbung, richtet Museen ein und liefert Publikationen zu den bisher wichtigsten Themen des Tourismusmanagers: Fugger, Römer, Mozart.

Götz Beck ist Pragmatiker. In seinem Geschäft zählen vor allem Zahlen. Eine für ihn entscheidende Zahl ist die 31. 31 von 100 Europareisenden orientieren sich bei der Zusammenstellung ihrer Tour an der UNESCO-Welterbeliste. Auf dieser Liste finden sich 981 Denkmäler in 160 Ländern. Deutschland glänzt vor allem mit Schlössern, Kirchen und Klöstern. Da fiele dem globalen Thema Wasser eine exponierte Rolle zu. Auch aus diesem Grund zögerte Beck nicht, als Kluger ihn ins Boot holen wollte. Heute treibt er maßgeblich die Öffnung der historischen Wasserwerke oder des Aquädukts und der Pumpwerke am Roten Tor voran. Das Interesse der Bürger am Thema Wasser ist enorm. Am Tag des offenen Denkmals stürmten 40 Besuchergruppen das Wasserwerk am Wall. Dieser Zuspruch ist für Beck der Schlüssel zum Erfolg. Die Tatsache, dass ein Thema zuallererst einmal im Bewusstsein der Bürger vor Ort verankert sein muss, bevor man es touristisch erfolgreich nach außen tragen kann, gehört für ihn zum kleinen Einmaleins seines Geschäfts. Der finanzielle Rahmen, um das Thema Wasser in Augsburg überhaupt bespielen zu können, liegt im Augenblick bei 180.000 Euro. Bisher wurde aber erst rund ein Drittel der Summe abgerufen. Sponsoren der Idee brachten 80.000 Euro auf, der große Rest kam von der Stadt. Für das kommende Jahr ist nach dem gegenwärtigen Stand der Dinge noch kein Etat eingestellt. Ob das Thema also mit dem nötigen Nachdruck und der gewünschten Kontinuität weiterverfolgt werden kann, steht vorerst in den Sternen. Und schon sind wir bei der Politik.

Der Kulturreferent ließ die von seiner Vorgängerin initiierte »Lange Nacht des Wassers« wieder aufleben

Schon nach der ersten Präsentation der Idee im Rathaus stieg Kulturreferent Peter Grab beim Projekt ein. Auch er erkannte schnell das Potenzial des Wassers und verspricht sich vom Thema »nicht zuletzt auch positive Impulse beim Werben der hier ansässigen Firmen um qualifiziertes Personal«. Dieses Argument mag für einen Kulturpolitiker vielleicht ungewöhnlich klingen, nicht aber für einen OB-Kandidaten. Grab trieb die offizielle Interessenbekundung der Stadt Augsburg voran, sich mit »Wasserbau und Wasserkraft, Trinkwasser und Brunnenkunst« zum nächstmöglichen Zeitpunkt, also frühestens 2017, um die Aufnahme in die UNESCO-Welterbeliste zu bewerben. Er organisierte die ersten Etats, sprach mit Sponsoren und sprang über seinen eigenen Schatten, als er die von seiner Vorgängerin im Amt, Eva Leipprand, initiierte »Lange Nacht des Wassers«, die er bei Amtsantritt gestrichen hatte, wieder aufleben ließ. Außerdem sorgte Grab dafür, dass die Stadt Herausgeber des natürlich im context verlag publizierten Bandes »Historische Wasserwirtschaft und Wasserkunst in Augsburg« wurde, und schuf damit die Basis für die offizielle, zehn Seiten starke Interessenbekundung der Stadt. Auf diesem Papier vom Juli letzten Jahres wird Bürgermeister Peter Grab mit der Adresse Rathausplatz 1 in Augsburg offiziell als Absender der Bekundung genannt. Diese Tatsache könnte in einigen Jahren einmal eine interessante Randnotiz sein. Nämlich dann, wenn das Projekt erfolgreich durchstartet und es Augsburg tatsächlich auf die UNESCO-Welterbeliste schaffen sollte. Der Erfolg wird dann naturgemäß viele Väter haben.

Der Erfolg wird viele Väter haben

Die Chancen für einen solchen Erfolg stehen nicht schlecht, sofern man den Off-the-record-Kommentaren der Insider dazu Glauben schenken mag. Doch die Idee kommt bei Fachleuten in der Tat gut an. Das war zuletzt auch beim Symposium zum Thema »Faszination Wasser« greifbar, zu dem am 7. November die Referate Kultur und Umwelt gemeinsam mit Götz Beck einluden. Nahezu zeitgleich zum Symposium präsentierte Martin Kluger auch eine Vergleichsanalyse, in der die Alleinstellungsmerkmale Augsburgs im Kontext Wasser gegenüber anderen deutschen und norditalienischen Städten mit vergleichbaren Traditionen abgeglichen wurden. Die Studie wurde zum ersten Mal Anfang November anlässlich eines Besuchs einer Expertenkommission der deutschen Kultusministerkonferenz beim Ortstermin in der Wasserstadt Augsburg vorgelegt und kann als Ergänzung zum bereits im Januar erschienenen Band »Historische Wasserwirtschaft und Wasserkunst in Augsburg« gelesen werden. Welche Wirkung sie auf die Besucher wirklich gehabt hat, wird sich im kommenden Jahr zeigen. 2014 entscheiden die deutschen Kultusminister nämlich, welche Städte es mit welchen Projekten auf die Tentativ-Liste schaffen. Nur wer diese nationale Hürde nimmt, darf überhaupt zum Bewerbungssprung ansetzen.

Dass beim Thema Wasser natürlich auch die Umweltschützer hellhörig werden, verwundert nicht. Die Bedeutung von sauberem Trinkwasser ist allen Bürgern bewusst. Ein unsensibler Umgang mit dem Thema kann in Wahlkampfzeiten Stimmen oder Köpfe kosten. Neben dem Kulturreferenten und Koordinator der Kampagne Peter Grab (Pro Augsburg) ist aus dem Rathaus vor allem Umweltreferent Rainer Schaal (CSU) dem UNESCO-Projekt verbunden. Er ist wie sein Kollege in die Sponsorensuche eingebunden und »als oberster Nachhaltigkeitsverantwortlicher in Augsburg vor allem an einer generellen Sensibilisierung beim Thema Wasser interessiert«. Die seinem Referat unterstellten 2.200 Hektar Stadtwald sind Garant für die Qualität des Augsburger Wassers. Diese Qualität, für die vor allem auch die Stadtwerke als Projektpartner Verantwortung tragen, ist bei genauem Hinsehen die eigentliche Eintrittskarte für die UNESCO-Welterbeliste. Eine Bewerbung, in der lediglich die historischen Komponenten und das Alleinstellungsmerkmal stimmen, dürfte bei den Entscheidern durchfallen. Gradmesser für die Qualität dieser Bewerbung ist die Qualität des Augsburger Wassers. Der Weg auf die Welterbeliste gelingt nur über offene Diskussionen und das weitsichtige Abwägen oft gegensätzlicher Positionen. Nur auf einer gemeinsam geschaffenen Basis ist es sinnvoll, sich um einen Platz auf der UNESCO-Welterbeliste zu bemühen.