Was ist hier Gerechtigkeit?

Agatha Christies Kultkrimi »Mord im Orientexpress« ist als Theateradaption auf der Bühne in Augsburg zu sehen. Hercule Poirots schwierigster Fall taucht ein in die gut gehüteten Geheimnisse einer illustren Gesellschaft. Ein Kriminalspektakel.
Der belgische Detektiv Hercule Poirot (Klaus Müller) besteigt den Orientexpress, um von Istanbul nach Calais zu reisen. Erstaunlicherweise ist die erste Klasse des Zugs ausgebucht mit einem Dutzend Frauen und Männern von Welt. Nur durch seine Freundschaft mit dem mitreisenden Eisenbahndirektor kann sich Poirot noch einen Platz im Zug sichern. Der Zug setzt sich in Bewegung, die Reise beginnt und wird sein Weltbild ins Wanken bringen.
Auf der Fahrt durch Serbien muss der Zug aufgrund von Schneeverwehungen halten und kann nicht weiterfahren. Kaum in der Eiseskälte, findet ein brutaler Mord statt, und der Mörder oder die Mörderin muss mit an Bord sein. Poirot ist mittendrin in seinem neuesten Fall und der Lösung des Rätsels auf der Spur. Die bunt gemischte Gruppe an Passagier*innen stammt aus aller Welt und scheint auf den ersten Blick nichts gemein zu haben – oder doch?
In der Augsburger Inszenierung von Andreas Merz wurde der Zug auf eine Drehbühne gestellt. Tür an Tür schlafen die Zuggäste in ihren Kabinen, getrennt durch dünne Wände. Nur der Speisewagen und der Gepäckwagen unterbrechen die Enge des Zuges. Bühne (Jürgen Lier) sowie auch Kostüme (Veronika Bleffert) entführen in die 1930er-Jahre, die Zeit, in der Christies Kriminalgeschichte spielt. Eigensinnige, überdimensionale Hüte, viele Federn und Boas schmücken die Damen, Uniformen und adrette Anzüge die Herren. Für die Zuschauer*innen beginnt so auch eine Reise – eine Reise in die Vergangenheit.
Das Stück wird von der Spielfreude des Ensembles getragen: Jung spielt Alt, Mann spielt Frau, Frau spielt Mann. Eine Quasselstrippe wird zur tiefgründigen Nachdenkerin, die auf Jiddisch singt und die Menschheit warnt: »Die Welt steht am Abgrund. Die Messer sind gewetzt. Niemand wird sich für unser Recht einsetzen, wenn wir es nicht selbst tun.« Poirot hält dagegen: »Wenn wir jetzt unsere Ideale verraten, warten auf uns das Chaos, die Vernichtung, der Tod.« Diese Worte haben nicht nur 1934, sondern auch heute noch Gültigkeit.
»Mord im Orientexpress« ist nicht nur eine Geschichte über einen Kriminalfall, sondern auch eine Geschichte über Rache und Selbstjustiz, Gut und Böse, Recht und Unrecht. Die Gegensätze sind manchmal schwer voneinander klar zu trennen.
»Ohne Ensemble ist ein Kammerschauspieler nur ein Kummerschauspieler«
Der Premierenabend gehörte ganz Klaus Müller. Nicht nur, weil er den berühmten Detektiv meisterlich auf die Bühne brachte, sondern auch, weil ihm im Schlussapplaus von Staatstheaterintendant André Bücker und OB Eva Weber der Titel Bayerischer Kammerschauspieler verliehen wurde. Müller ist seit 30 Jahren Schauspieler am Augsburger Theater und den Augsburger*innen aus zahlreichen Stücken wohlbekannt. Zudem ist er Cartoonist, Illustrator und Lehrbeauftragter der Technischen Hochschule Augsburg.
In seiner kurzen Dankesrede dankte er seinem Publikum und seinen Kolleginnen, ohne die er nur ein Kummerschauspieler sei. Es sei in den letzten Jahren nicht immer einfach gewesen, wieder und wieder für das Theater kämpfen zu müssen. Sein Wunsch: im neu renovierten Großen Haus auf der Bühne stehen zu können. Er sprach nicht nur den Schauspieler*innen auf der Bühne aus dem Herzen, sondern auch den Zuschauer*innen, die auf den engen Sitzen des Martini-Parks fast drei Stunden dem spannenden Schauspiel folgten.
Weitere Informationen hier.