Wer Wahrheit sucht, soll spazieren gehen

Im Martinipark feiert man die Premiere von Moriz Eggerts »Die letzte Verschwörung« mit Aluhut und Sekt
Der Abend geht ja gut los: In recht heiterer Laune trifft sich das Premierenpublikum im Staatstheater im Martinipark zu »Die letzte Verschwörung«, mit Text und Musik von Moritz Eggert (Foto oben).
In der Geschichte, die im Jahr 2023 in Wien als Operette zur Uraufführung kam und auf dem Weg nach Augsburg zur Oper mutierte, geht es um einen Fernsehstar, dem sein Leben ganz schön entgleitet. Das ist natürlich erst einmal tragisch. Dass dieser fallende Mensch jedoch auf dem Weg nach unten Teil der populärsten Verschwörungsmythen unserer Zeit wird, ist dagegen recht lustig.
Mythen haben Unterhaltungswert. Vergessen wir nicht, dass schon vor Generationen dieses Genre ein ebenso formidabler wie unverdächtiger Teil der Popkultur war, mit eigenen Filmen, Bands und Magazinen. Die einen glauben eben, die Erde sei eine Scheibe, oder an die unbefleckte Empfängnis, und die anderen, sie könnten ein Theater bauen. Eigentlich alles harmlos. Nervig und zuweilen gefährlich sind Personen, die keine Positionen neben der ihren dulden. Warum diese Szene kippte und heute bald einem jeden Aluhutträger der Sturm aufs Parlament zuzutrauen ist, ist an dieser Stelle nicht zu klären. Auch Eggert unterließ den Versuch, dies zu tun. Dafür kann man ihm nur danken.
Ebenso für seine Musik. Ein Komponist, dem es gelingt, bald zwei Dutzend Mozartopern absturzfrei zu einem eigenen Werk zu verschmelzen, schafft es eben auch, einen respektablen Klangteppich mit Anteilen aus Game-Sounds, Tango, Marsch- und Orff-Musik, Pop, Operette, Schlager, Rollschuhoper, Musical und vielem mehr zu weben.
Die im Staatstheater unentbehrliche Video-Art versuchte es diesem akustischen Mix gleichzutun, was im ersten Akt bei einigen Anwesenden zuweilen zu Reizüberflutung führte, nach der Pause jedoch zu einer guten Spannung fand. Es müssen eben nicht alle eingelagerten Liebesperlen, Schokoraspel, Kokosflocken und in Lebensmittelfarbe gebatikten Streusel gleichzeitig auf den Kuchen, um etwas Besonderes zu schaffen.
Getragen wurde der vorwiegend positiv zu bewertende und sehr kurzweilige Theaterabend in der Inszenierung des Intendanten André Bücker auch von einem guten Orchester und einer schönen Ensembleleistung der Solist*innen. Besonders hervorzuheben wäre vielleicht – wieder einmal – der wunderbare Chor, die großartige Jihyun Cecilia Lee als Lara und die Domsingknaben Jasper und Valentin. Eigentlich etwas schade, dass die Buben kurz vor Schluss auf offener Bühne geschlachtet werden.
Was bleibt, ist der Sinnspruch auf unserem Sofakissen: »Wer Wahrheit sucht soll spazieren gehen, wer Unterhaltung wünscht ins Theater.« Bitte sehr!
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