Literatur

Ändere die Welt – mit Büchern

a3kultur-Redaktion

Kurt Idrizovic ist ein ausgezeichneter Buchhändler aus Leidenschaft. Marion Buk-Kluger sprach mit dem »Buchaktivisten« und seit Kurzem Preisträger des Deutschen Buchhandlungspreises.

»Ändere die Welt, sie braucht es!« Das Brecht-Lieblingszitat von Kurt Idrizovic ist gleichsam auch ein Motor für das Schaffen des engagierten Buchhändlers. Mit Büchern und der Vermittlung der Freude am Lesen selbiger ist er seit 1984 am Start. Zunächst am Fischertor mit der Büchergilde-Buchhandlung, dann seit 1990 am Obstmarkt aktiv, sind die Bücher, Brecht und Augsburg sein Leben.

Dafür gab es für ihn nach dem Otto-Brenner-Preis von der IG Metall Augsburg 1988 und dem City-Preis vor einigen Jahren nun sogar den Deutschen Buchhandlungspreis. Ausgezeichnet werden hervorragende Leistungen von inhabergeführten, unabhängigen und mit einem Umsatz von unter einer Million Euro agierenden Geschäften.

a3kultur: Gratulation! Wie hast du denn erfahren, dass die Buchhandlung am Obstmarkt mit dem Deutschen Buchhandlungspreis ausgezeichnet wird?

Idrizovic: Dem Preis ging ein umfangreiches Bewerbungsprozedere voran, dann hörten wir monatelang nichts mehr und Anfang Oktober kam vom Ministerium die Nachricht, dass wir »preiswürdig« seien, was uns natürlich riesig gefreut hat.

Wie war die Feier?

Es war wunderschön, die Stimmung natürlich blendend, so viele Buchhändler*innen auf einmal hatte der Goldene Saal noch nie gesehen. Das Schöne daran war, dass auch genug Zeit für einen kollegialen Austausch blieb. Eine gut aufgelegte Truppe aus ganz Deutschland hatte einen Riesenspaß in Augsburg. Claudia Roth hielt eine würdige Rede auf unsere Branche, die es in den letzten Jahren weiß Gott nicht leicht hatte.

Dich »nur« als Buchhändler zu bezeichnen wäre zu kurz gegriffen. Wie hält man bei der Vielzahl an Themen, die du mit deinem Team bespielst, die Balance?

Diese Frage stelle ich mir auch immer, aber es macht halt viel Spaß, neben der Buchhandlung auch andere Themen (Brecht, Localbahn, Welterbe) zu bespielen. Aber eines ist auch klar: Das Zentrum ist die Buchhandlung. Dort laufen alle Fäden und Formate zusammen.

Du organisierst im Jahr Dutzende Veranstaltungen, von der Lesung über diverse Diskussionsformate bis hin zu Expeditionen mit der Localbahn durch die Stadt. Was treibt dich an, diese ganzen Aufgaben zu stemmen?

Tja, ich glaube, es ist der Spaß, den es macht, Menschen zusammenzubringen, Veranstaltungen zu planen, zu strukturieren, neue Formate zu erfinden. All das macht allein keinen Spaß – nur mit Gleichgesinnten gelingt es. Letztlich ist es doch wunderbar, gemeinsam erfolgreich zu sein.

Es gibt nicht mehr so viele – besondere – Einkaufsorte in der Innenstadt wie deinen Laden. Sie haben besondere Funktionen, weit über den des Handels hinaus. Das ist nicht in jeder Stadt so – was rätst du den Verantwortlichen aus Politik und Verwaltung in puncto Belebung der Innenstadt?

Es ist kein Geheimnis, dass sich die Innenstädte schwertun, Karstadt ist nur ein Symptom. Da gibt es keinen Königsweg, aber da müssen alle zusammenhalten, um die Leerstände wieder zu beleben. Es sind nicht nur der Einzelhandel und die Gastronomie gefragt, auch die städtischen Kultureinrichtungen (Museen, Galerien, Bibliotheken) können dazu beitragen. Ich sage nur: Öffnungszeiten am Sonntag!

Du engagierst dich seit Jahren – mit den Rotariern – für die Heranführung der Jüngsten an Bücher. Euer Lese-Insel-Projekt ist sehr erfolgreich – ihr habt in über zehn Jahren zwölf kleine, aber hervorragend ausgestattete Lese-Inseln, also Schulbibliotheken, in Augsburger Grundschulen realisieren können und dafür rund mehrere Hunderttausend Euro über Spenden gesammelt. Seit geraumer Zeit ruht diese Arbeit – was ist der Grund?

Aktuell verhandeln wir mit der Stadt über eine Weiterführung des Projekts, trotz der schwierigen Finanzlage. Ich bin guten Mutes, dass wir bald eine weitere Lese-Insel eröffnen können. Die Zusammenarbeit mit dem Bildungsreferat ist sehr gut. Jeder Euro ist gut angelegt.

Wie kamst du selbst zum Lesen? Wenn ich mich recht erinnere, kommst du nicht aus einem Elternhaus, in dem Lesen im Hauptfokus stand?

Das ist richtig, mein Vater war »Gastarbeiter« und sprach auch nicht gut Deutsch, aber meine Mutter war Vertrauensfrau in der Büchergilde und brachte immer die schönen Ausgaben der Klassiker mit nach Hause. So bin ich aufgewachsen mit Jack London, Wilhelm Busch, Jules Verne, bis zu einem meiner Lieblingsautoren: Oskar Maria Graf, dessen Biografie mich sehr beeindruckt hat.

Welches Buch oder welcher Autor hat dich animiert, dem Lesen treu zu bleiben?

Da gibt es viele. Wenn man die ersten Bücher gelesen hat, will man mehr – und dann noch mehr. Und jede Zeit im Leben hat die dazugehörigen Bücher – das werden mir alle Leser*innen bestätigen. Das geht von Karl May über Heine, Maupassant bis Max Frisch und natürlich zum Augsburger Bert Brecht.

Was rätst du Eltern zu tun, damit ihre Kinder mehr und gern lesen?

Lesen, mehr lesen! Platz im Haus für Bücher schaffen. Die Eltern haben eine Vorbildfunktion. Das Lesen, und damit auch das Denken, wird sehr früh schon in jedem Kind angelegt.

Ein Teil deiner Buchhandlung ist Bertolt Brecht vorbehalten. Was verbindet dich mit dem großen Sohn Augsburgs?

Mit Brecht verbindet mich, dass wir beide Augsburger sind, und gerade seine frühen Stücke, Gedichte und Lieder wären ohne sein Leben in Augsburg nicht entstanden.

Was wünschst du ihm zu seinem 125. Geburtstag, der im kommenden Jahr ansteht?

Ich wünsche ihm ganz einfach, dass er gelesen wird. Er hat uns viel zu sagen, gerade in den »finsteren« Zeiten.

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