Gemeinsam sind wir lauter
Der Kunstverein Augsburg und die Künstler*innen-Vereinigung »Die Ecke« gehören zu den ältesten noch aktiven Kultureinrichtungen unserer Region. Ein Interview mit den Vorsitzenden
In ihren Jahresendausstellungen buhlen Kunstverein und Die Ecke um die gleiche Klientel. Eine Konkurrenzsituation zwischen ihren Einrichtungen sehen Jana Schwindel von Die Ecke und Christian Thöner vom Kunstverein jedoch nicht. Vielmehr betonen beide die verbindenden Elemente.
a3kultur: Welche Bedeutung hat für eure Häuser die traditionelle Jahresendausstellung mit den kleinformatigen Kunstwerken?
Christian Thöner: Schon allein, dass wir sie in diesem Jahr über zwei Geschosse präsentieren, zeigt, welchen Stellenwert wir den Jahresgaben nun einräumen. In der Wahrnehmung kamen sie in der Vergangenheit leider oft zu kurz. Das soll sich ändern. Schließlich gibt es kaum eine solidarischere Form der gegenseitigen Unterstützung von Kunstverein und Künstlerinnen. Es geht dabei um Wertschätzung und Sichtbarkeit dessen, was diese produktive Verbindung ausmacht: Ohne die kreative und schöpferische Leistung der Künstlerinnen, ohne die damit verbundene harte, oft kritische Arbeit würde ein wertvoller und nicht verhandelbarer Baustein unserer Kultur fehlen – und uns die ideelle Existenzgrundlage und -berechtigung.
Jana Schwindel: Das Kleine Format hat für Die Ecke in mehrfacher Hinsicht Tradition. Die Ausstellung findet bereits seit 1961 in der Vorweihnachtszeit statt. Seit den Siebzigerjahren verfügt Die Ecke über eigene Galerieräume am Elias-Holl-Platz. Es können alle Mitglieder der Ecke für die Ausstellung einreichen. Es gibt kein bestimmtes Motto, allerdings ein gleichbleibendes maximales Format von 30 x 30 x 30 cm. Es ist eine tolle Gelegenheit für alle 138 Mitglieder, Arbeiten zu präsentieren. Bei den Vernissagen sind jedes Mal viele der Ausstellenden zu Gast, fast wie bei einem Klassentreffen.
Entsprechen die Verkäufe – um die es bei diesen Ausstellungsformaten ja auch geht – euren Erwartungen?
Thöner: Wir sind begeistert vom Interesse an dieser vielfältigen Schau und von der Kaufbereitschaft. Diese ist aktuell gewiss keine Selbstverständlichkeit. Aber vielleicht zeigt das Bedürfnis, sich mit Kunst zu umgeben, ein Indikator dafür, was Kunst auch in schwierigen Zeiten zu bieten hat. Gerade für Menschen, die erst beginnen, Kunst zu sammeln, sind die sehr günstigen Jahresgaben ein idealer Einstieg.
Beim Kleinen Format habe ich in diesem Jahr bisher noch nicht allzu viele rote Punkte neben den Arbeiten entdeckt.
Schwindel: Es ist sehr schade, dass die Verkäufe derzeit nicht so gut laufen wie noch vor wenigen Jahren. Die Ecke betreut seit dem Abgang des Galeristen das Haus in Eigenregie. Aufgrund der aktuellen Lage waren unsere Verkaufserwartungen von Anfang an gedämpft. Aber die Ausstellung läuft ja noch, und über mehr Verkäufe würden wir uns sehr freuen.
Auf eine Gewinnerzielung hinzuarbeiten, ist jedoch nicht unser primäres Ziel. Die Einnahmen aus den Verkäufen fließen direkt in Projekte, Veranstaltungen, Förderungen und den Erhalt des Vereins.
Welche Spielräume bei Kuration und Hängung dieser Art der Präsentation gibt es?
Schwindel: Bei der Kuration sind den Ausstellungsmacher*innen schon Grenzen gesetzt. Das Format ist definiert, und kein Mitglied wird ausjuriert. Es können jeweils bis zu zwei Arbeiten aus den letzten beiden Jahren eingereicht werden. In diesem Jahr haben 77 Künstler*innen insgesamt 145 Arbeiten eingereicht. Diese Fülle auf dem begrenzten Platz adäquat und qualitätsvoll zu präsentieren, ist gar nicht so einfach.
Bei der Hängung geben einem auch unsere Räumlichkeiten einen gewissen Rahmen vor. Dennoch kann so eine Ausstellung sehr unterschiedlich ausfallen. In diesem Jahr haben unsere Künstlerischen Beiräte Nanna Groneberg und Sebastian Lübeck diese Aufgabe übernommen und sehr gut gelöst.
Thöner: Im Kunstverein haben wir in den vergangenen Jahren immer wieder neue Ausstellungsformate ausprobiert. Die Jahresgaben gab es mal als kleine Ausstellung, komprimiert auf einen Raum, dann auch nur über ein paar Tage, ausgelegt auf Tischen oder präsentiert in Grafikständern. Auch die Auswahl und das Angebot wechselten: Es gab Jahre, in denen Zeichnungen, Druckgrafiken und kleine Plastiken international bekannter Künstler*innen den Hauptteil ausmachten – zu teilweise beträchtlichen Preisen.
Mit Timur Lukas hat die aktuelle Schau jemand kuratiert, der als junger Maler die Szene und den Kunstmarkt bestens kennt. Mit Daniel Man, dessen Arbeit in der Ausstellung vertreten ist, übernahm bei der Gruppierung und Hängung ebenfalls ein Künstler die Federführung. Der Perspektivwechsel führte zu neuen Ergebnissen und macht auch für uns das Projekt so interessant.
Nur wenige hundert Meter Luftlinie trennen Die Ecke und den Kunstverein. Empfindet ihr das eher als Konkurrenz oder Chance?
Schwindel: Wir haben uns nie als Konkurrenten gesehen. Beide Institutionen sind in Augsburg seit weit mehr als 100 Jahren aktiv und pflegen einen guten Austausch. Außerdem verfolgen wir das gleiche Ziel: die zeitgenössische Kunst und die Kulturlandschaft dieser Stadt zu bereichern. Viele Mitglieder der Ecke sind auch Mitglieder im Kunstverein. Das schließt sich überhaupt nicht aus.
Auch die aktuellen Schauen zeigen, wie viele Schnittmengen wir haben. Bei den Jahresgaben ausstellende Künstler*innen wie Karen Irmer, Christopher Kochs, Sebastian Lübeck oder Timur Lukas sind Mitglieder der Ecke. Es gibt aber auch ganz praktische Kooperationen. So stellen wir beispielsweise dem Kunstverein gerne unsere Künstlerwohnung zur Verfügung.
Thöner: Ich sehe auch keine Konkurrenzsituation. In einer Großstadt wie Augsburg ohne ausgeprägte Galerienlandschaft freuen wir uns über jede Stimme, die für die aktuelle Kunst spricht. Gemeinsam sind wir eben lauter.
Der Kunstverein setzt seinen Schwerpunkt darauf, interessante nationale und internationale Künstler*innen für Projekte in die Stadt zu holen. Er fördert mit dem Format »Groundfloor Playground« und ausgewählten Beteiligungen an den Jahresgaben, aber auch die regionale Kunstszene. Mit der Ecke pflegt der Kunstverein eine langjährige, wirklich freundschaftliche Beziehung. Man kennt sich gut, nimmt das jeweilige Programm positiv wahr, schätzt sich, besucht sich und tauscht sich aus.
Man teilt Begeisterung, aber auch Sorgen. Dadurch, dass die grundsätzliche Struktur und Ausrichtung der Vereine sehr unterschiedlich ist, schaffen die Programme Synergien. Sie sind eher Ergänzung als Konkurrenz.
Was bringt das Programm in den kommenden Monaten?
Thöner: Im Februar starten wir mit »Groundfloor Playground« Nummer 8. Eingeladen ist dieses Mal Maria Justus, die in ihrer Arbeit Fragmente aus Vergangenheit und Zukunft erforscht. Sie hat sich dafür Andreas Chwatal an ihre Seite geholt. Im Frühjahr folgt die österreichische Künstler*in Julia Haugeneder.
»after the party« (li.). Karen Irmer ist mit den identischen Arbeiten »verwirrt« und »darüberhinaus« (Mitte), sowohl im Kunstverein als auch in der Ecke Galerie vertreten.
Schwindel: Am 9. Januar eröffnet in der Ecke Galerie die Ausstellung »Wasser«, die von unserer Künstlerischen Beirätin Monika Schultes kuratiert wird. Außerdem ist eine Schau mit Tilla von Gravenreuth im Dialog mit Thomas Sing in der Ecke Galerie sowie eine Einzelschau von Susanne Junker ab April im Glaspalast in der Pipeline. Zu Jahresanfang ist auch eine Führung durchs Stadtarchiv geplant und im Frühjahr die Eröffnung der Druckwerkstatt im Künstlerhaus Antonspfründe.