Klassik

Musikalisches Abenteuer für alle Sinne

Mit seinem außergewöhnlichen Jubiläumsprojekt »La Pellegrina - Hochzeitsmusik für die Medici« gastierte das seit 20 Jahren auf Musik der Renaissance und des Frühbarocks spezialisierte »Ensemble Phoenix Munich« am Donnerstagabend im gut besuchten Goldenen Saal.

Wer (glücklicherweise!) ein Ticket für diesen Abend erworben hatte, durfte tief eintauchen in ein exquisites musikalisches Abenteuer. Mit brillant interpretierten mehrstimmigen Madrigalen, mit feinsinnigen Monodien (solistischer Gesang mit akkordischer Instrumentalbegleitung) und tänzerisch aufgeladenen kleinen Sinfonia-Parts führte es ins Florenz am Ende des 16. Jahrhunderts und damit auch zurück zu den in Italien liegenden Ursprüngen der Oper.  

Anlässlich der mit allem Prunk inklusive einer Aufführung der Komödie »La Pellegrina« im Jahr 1589 gefeierten Hochzeit von Ferdinando I. de Medici mit Christine von Lothringen wurden sechs, damals »Intermedien« genannte, musikalische Zwischenspiele aufgeführt. Sie sollten die Gäste erheitern, basierten teils auf Ovids »Metamorphosen“ oder wie im »Primo intermedio«, das den Hörer klanglich unmittelbar in himmlische Sphären katapultierte, auf Platons Erzählungen und Allegorien. Sie wurden bei den bedeutsamsten italienischen Komponisten der Zeit wie Luca Marenzio, Giulio Caccini oder Cristofano Malvezzi in Auftrag gegeben, die heute vermutlich nur Spezialisten für Alte Musik namentlich kennen. So wurde diese mit hohem Aufwand rekonstruierte, hoch professionell einstudierte und facettenreiche, auf intensive Klangqualität getrimmte Hochzeitsmusik als Herzensprojekt des Lautenisten und musikalischen Leiters Joel Frederikson zum versprochenen musikalischen »Götterfest mit Apoll & Bacchus«.

Opulent besetzt mit 31 Instrumentalist*innen, die zum großen Teil auch gleichzeitig als wundervolle Sänger*innen in allen Stimmlagen mitwirkten, sowie mit den beiden Tänzern Colette Gasperini und Ilia Sarkisov (Choreografie: Verena Weiss) waren wirklich alle Sinne des Publikums in Anspruch genommen. Vor dem Orchesterpodest schräg aufgebaut befand sich eine zweite Bühne, auf der sich »Frau« und »Mann« auf einer  –  für die beiden Tänzer durchaus trickreichen »Wiese« aus hunderten echten Äpfeln als Symbole für Natur, Fruchtbarkeit, Lust und womöglich Sündenfall - einander annäherten, sich umgarnten, teils allerdings ziemlich geräuschvoll die musikalischen Piano-Partien durchschnitten. Bewusst sollten sie das musikalische Geschehen nicht illustrieren, sondern nahezu eigenständig, im kontrastreichen zeitgenössischen Tanzstil eine zusätzliche Ebene der emotionalen »Paare«-Begegnung visualisieren. Ob man dies konzeptionell für unbedingt erforderlich und bereichernd hielt oder nicht, staunte man in jedem Fall über das virtuose und instrumentale Vermögen der Sopranistinnen, Tenöre (u.a. setzte auch der Leiter der Domsingknaben Stefan Steinemann als Ko-Dirigent und Sänger wesentliche Impulse und Akzente), Baritone und Bässe, die »größere Wunder von edler Seel und schönem Antlitz« in puren Wohlklang übersetzten. Man staunte zudem darüber, dass die bekannt heikle (Über)-Akustik des Goldenen Saals dem hochkarätigen Ensemble gar in die Karten spielte – von der mehr als idealen gülden-prachtvollen Kulisse des Raums ganz abgesehen. Diese Wettgesänge von Musen und Göttern, die wie nicht zuletzt die des »Arion« mit ungewöhnlichen Koloraturen und reizvollen Doppel-Echo-Effekten mit seitlich platzierten »Doubles« das Ohr bezirzten, legten sich bald wie Balsam auf die Seele, führten ins Innere und spiegelten kraftvoll die Affekte-Palette von Schmerz, Verzweiflung, Verehrung und Freude und damit die ungebrochene Macht, die Musik auf uns Menschen besitzt! So geriet »La Pellegrina« in der Tat zur Sternstunde nicht nur für Renaissance-Musik-Liebhaber und machte großen Appetit auf weitere Projekte dieses Ensembles unter der Leitung von Joel Frederiksen, dessen Markenzeichen ohnehin originelle und innovative Programme sind, die sich auf eine sehr sorgfältige Quellenforschung stützen.

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