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Stadt – Land – Clubs
Kulturreferent Jürgen Enninger holte das Branchentreffen für Clubkultur »Stadt nach Acht« nach Augsburg. Ein Lagebericht von Jürgen Kannler.
Das um sich greifende Clubsterben in Berlin, Hamburg oder München wirft seinen Schatten auf die Clublandschaft auch abseits der Metropolen. Nun traf sich die Branche in Augsburg zur Konferenz »Stadt nach Acht«.
In der Branchenlobby LiveMusikKommission (LiveKomm) organisieren sich mehr als 700 Musikclubs und Festivals aus über 100 deutschen Städten. Diese Zahlen machen klar, dass Clubkultur keine Sache allein der Metropolen ist. Auch wenn dort internationale Trends oft schneller andocken oder von dort aus lokale Phänomene rascher in die Welt geschossen werden als – sagen wir … zum Beispiel in Augsburg.
Die Qualitäten der Provinz liegen auf der Hand. Hier gibt es oft noch den Raum, Projekte zu entwickeln und umzusetzen, der in den Metropolen kaum mehr zu bezahlen ist. Hier steht man oft genug vor der Herausforderung, selbst aktiv werden zu müssen, wenn man Clubkultur erleben will. Hier sind manche Netzwerke stabiler als in den wirklich großen Städten und manche Wege – gerade im Bürokratiedschungel – kürzer. Und ganz ehrlich, die schillerndsten Clubmacher*innen in Berlin, Hamburg oder München kommen oft selbst aus der tiefsten Provinz. Es sind eben auch in diesem Bereich oft die Impulse der Zugezogenen, die das enge Korsett des immer schon Dagewesenen sprengen.
Die von der LiveKomm organisierte Tagungsreihe »Stadt nach Acht« landete nun zum ersten Mal in eben dieser Provinz – das Motto 2024: »Stadt – Land – Clubs«. Konferiert wurde an drei Tagen Ende Oktober in Augsburg.
Die von der LiveKomm geführte Rote Liste der von Schließung bedrohten Clubs ist lang, und sie wächst.
Das Programm der in Berlin sozialisierten Konferenz war prall gefüllt. In der Regel galt es, sich zwischen drei parallel laufenden Veranstaltungen zu entscheiden. Rund 150 geladene Sprecher*innen aus ganz Deutschland brachten mit ihrer Expertise nicht nur einen Überblick über das Spektrum der Branche auf die Bühnen, sondern auch eine Ahnung von den Problemen, mit denen sich Club- und Festivalmacher*innen landauf, stadtab beschäftigen müssen.
Und die Probleme der Branche sind ernst. Die Gästezahlen gehen zurück. Bürokratie und kommunale Vorschriften setzen den Clubbetreiber*innen zu. Im kapitalistischen Verdrängungswettbewerb haben Bars, Livebühnen und Feierstätten ihre Schuldigkeit im Kontext der Gentrifizierung getan und weichen weiteren, lukrativen Immobiliengeschäften. Die von der LiveKomm geführte Rote Liste der von Schließung bedrohten Clubs ist lang, und sie wächst.
Wird die Clubkultur nur abseits der Metropolen eine Überlebenschance haben? Wer weiß. Eine Handlungsanweisung für diesen Fall erarbeitet seit einem Jahr die Tresor Foundation aus … natürlich Berlin. Sie lädt nun zum zweiten Mal clubkulturelle Nachwuchstalente aus der Provinz zum »Studium« in die »Tresor-Uni«. Im ersten »Semester« konnten sieben »Studierende« über zwölf Wochen Clubdasein in Theorie und Praxis erfahren, mit dem Ziel, dieses Wissen in ihre eigenen Projekte vor Ort einfließen zu lassen. Die Begeisterung für diese Herangehensweise war beim Publikum enorm. Viele der Anwesenden hätten sich einen solchen Support bei ihrem eigenen Start ins Clubgeschäft gewünscht.
Einige der Anwesenden haben die Goldgräberzeiten der Branche in den Neunzigerjahren gemeinsam mit- und überlebt.
Es ist eben wichtig, sich mit Kolleg*innen abseits des täglichen Konkurrenzkampfes austauschen zu können. Und die Möglichkeit wird genutzt. So lag bei der »Stadt nach Acht« auch eine gewisse Atmosphäre von Klassentreffen in der Luft. Man kennt sich, zum Teil seit Jahrzehnten. Einige der Anwesenden haben die Goldgräberzeiten der Branche in den Neunzigerjahren gemeinsam mit- und überlebt. Damals wurden die Grundsteine für viele kleinere, aber auch einige größere Clubimperien gelegt. Eine Entwicklung, die sich in dieser Form heute wohl kaum jemand mehr vorstellen kann. Da reiben sich die jüngeren Teilnehmer*innen zuweilen ungläubig die Augen, wenn sie zwischen den Panels mitbekommen, was »früher« einmal alles möglich war.
Seit 2021 ist ein Club ein Kulturort und rangiert nicht mehr auf einer Verwaltungsebene mit Casinos und Bordellen.
Aber damals war natürlich nicht alles besser. Heute ist Kollektivarbeit vielerorts an der Tagesordnung. Es gibt Awareness-Konzepte für Bewusstsein und Achtsamkeit, die Maßstäbe für die Gesamtgesellschaft setzen könnten. Seit 2021 ist ein Club ein Kulturort – oder auch eine »Anlage für kulturelle Zwecke« im Jargon der Bürokratie – und rangiert nicht mehr auf einer Verwaltungsebene mit Casinos und Bordellen. Was aber hat dieses Upgrade gebracht? Vielen Clubs steht das Wasser heute bis zum Hals, während die Geschäfte mit Prostitution und Spielsucht allem Anschein nach prosperieren. Das Label »Kulturort« ist jedoch keine Garantie für gesichertes Wirken. Gerade auch Augsburg steckt voller warnender Fallbeispiele für den gewissenlosen Umgang mit Kulturorten in kommunaler Verantwortung.
Da kann es tröstlich sein, ein Panel besucht zu haben mit der etwas sperrigen Beschreibung »Vergnügungsstätte? Anlage für kulturelle Zwecke? Nutzungskategorie Musikclub? Wo liegen Unterschiede und was folgt hier für die Verwaltungspraxis?«, um zumindest zu verstehen, warum die Genehmigungslagen für Clubkultur zwar nicht gerade einfach, aber eben auch nicht hoffnungslos sind.
In diesem Kontext macht es vielleicht auch Sinn, sich Hilfe aus Politik und Verwaltung zu holen. Unter dem Begriff »Lobbycoaching« sollten in einem Workshop Grundlagen zur »Planung, Umsetzung und Optimierung der (gesellschafts-)politischen Arbeit« vermittelt werden. Die Panelbeschreibung versprach: »Mit unserem Experten betrachten wir das politische Spielfeld, kreieren ein Stakeholder-Mapping, verstehen Entscheidungsprozesse und bekommen die besten Werkzeuge für effektive Interessenvertretung der Pop- und Clubkultur an die Hand.«
Dieses Panel war einigen Teilnehmer*innen dann doch etwas zu theoretisch, da es sich rein auf Lobbyarbeit auf Bundesebene fokussierte. Einen praktischeren Einblick in das Thema und die damit verbundene Fähigkeit, über Netzwerke Genehmigungen und Etats – gerne auch aus unbestimmter Quelle – zu generieren, kann man jedoch einigen Speakern eines anderen Panels bescheinigen.
Diese waren zum Thema »Nachtstadt Augsburg« geladen. Im Infotext dazu hieß es: »Die nächtliche Stadtentwicklung ist eine zentrale Handlungsmaxime für die Stadt- bzw. Stadtteilentwicklung. Kultur und Kreativwirtschaft werden zunehmend als Motor für städtebauliche Transformation genutzt und verstanden. Sie erhalten wirtschaftliche Bedeutung und beeinflussen ordnungspolitische sowie soziale Systeme. Nutzt die Stadt Augsburg diese Chance voll aus, und welche Risiken gibt es, wenn die Stadtentwicklung an der Kultur und Kreativwirtschaft vorbeizieht?«
Weitgehend unbeantwortet blieb die Frage, warum die städtischen Kuratoren dieses Panels auf die Teilnahme von Vertreter*innen aus der Kultur- und Kreativwirtschaft vollständig verzichteten und es stattdessen zum Tummelplatz für Lobbyist*innen des umstrittenen Vereins Theaterviertel Jetzt! machten. Vielleicht wollte man den echten Vertreter*innen dieser Branchen den frühen Start um 9:30 Uhr nicht zumuten.
»Gastronomie bringt die Menschen zusammen. Ein Kulturort ohne gute Gastronomie ist eine vertane Chance.«
Diese fanden Antworten im voll besetzten Nachmittagspanel »Gastronomie & Nachtökonomie als Instrument der Stadtentwicklung«. Hier diskutierten Stadtentwickler*innen, Clubmacher*innen und Wirtschaftsförder*innen über Gastronomie als Frequenzbringer in der Innenstadt und welchen Beitrag eine lebendige Abend- und Nachtökonomie zur Wiederentdeckung der Innenstädte leisten kann.
So formulierte ein Clubmacher, Eventmanager und Wirt aus Frankfurt am Main die Quintessenz: »Gastronomie bringt die Menschen zusammen. Ein Kulturort ohne gute Gastronomie ist eine vertane Chance. Gastronomie muss sich jedoch wandeln können, um den wechselnden Gegebenheiten gerecht zu werden und nicht zur bloßen Verköstigungsstation zu verkommen.«
Kulturorte ohne adäquate Gastronomie sind in Augsburg leider die Regel, nicht die Ausnahme.
Diese Worte sollten sich einige Verantwortliche in Augsburg unbedingt ins Stammbuch schreiben. Kulturorte ohne adäquate Gastronomie sind hier leider die Regel, nicht die Ausnahme. Wer Beispiele will, findet sie unter anderem in sämtlichen städtischen Museen, an den Spielstätten des Staatstheaters sowie beim kulturellen Scheinriesen auf dem Gaswerkareal.
Ob die Ausrichtung der »Stadt nach Acht« für Augsburg einen Mehrwert haben wird, bleibt abzuwarten. An der Dichte und Qualität der angebotenen Programme zumindest, war nichts auszusetzen. Ob man jedoch unterschreiben möchte, mit welchen Worten die LiveKomm die projektfinanzierende Ausrichterstadt charakterisiert, darf infrage gestellt werden. In der Abschlusserklärung der Nachtleben-Konferenz heißt es: »Die Konferenz hat Augsburg als Vorreiter der Nachtkultur positioniert und gezeigt, wie Städte durch eine strategische Förderung des Nachtlebens an Attraktivität gewinnen.«
Bezeichnend für diese Innovationskraft in der regionalen Clublandschaft sind die zahlreichen Kooperativmodelle, die zunehmend dem Wirt-als-Clubmacher-Prinzip den Rang ablaufen.
Die bisher vertanen Chancen für Nachtkultur im Gaswerkquartier und an den Spielstätten des Staatstheaters oder das seit Jahren anhaltende Trauerspiel nach acht zwischen Maximilian- und Annastraße wiegen schwer. Wie sich die Clubstruktur jedoch in den letzten zwanzig Jahren entwickelt hat, ist nicht wirklich belegt. Die gute Meldung ist, dass sich die Clubmacher*innen davon nicht entmutigen lassen und immer wieder Programme und Orte entwickeln, die jedem überregionalen Vergleich standhalten. Bezeichnend für diese Innovationskraft sind die zahlreichen Kooperativmodelle, die zunehmend dem Wirt-als-Clubmacher-Prinzip den Rang ablaufen. Sie bringen die spannendsten Neuerungen ins Nachtleben und setzen in Sachen Innovation, Diversität und Awareness neue Maßstäbe, an denen sich die althergebrachten Formate orientieren müssen, um zu bestehen.
Eine wichtige Andockstation für die gesamte Branche ist in Augsburg die Club & Kulturkommission (CuKK). Dem Vorbild der ersten Zusammenschlüsse von Kulturschaffenden im Kulturrat vor zwölf Jahren folgend entwickelten sich Lobbyverbände für die freie und die private Theaterszene sowie für den Bereich Clubkultur. Heute ist die CuKK die vielleicht einflussreichste Kultur- (und Gastro-)Lobbyvereinigung in der Region, mit rund vierzig Mitgliedern. Bei etwa der Hälfte davon handelt es sich um Clubs, die mindestens 24-mal im Jahr ein kuratiertes DJ-Programm oder Livemusik auf die Bühne bringen. Folgerichtig war die CuKK ein maßgeblicher Partner bei der »Stadt nach Acht« in Augsburg. Als eines der zentralen Themen steht der Aufbau eines lokalen Clubfestivals auf der To-do-Liste des Vereins. Ein Ziel, das die CuKK dank ihrer Beharrlichkeit, ihres Einsatzes und breiten Spektrums, aber auch ihrer engen Vernetzung in die Regionalpolitik wohl erreichen wird.
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