Feiertagslektüre III
Buchempfehlungen zum Jahreswechsel aus den Buchhandlungen unserer Region.
Diese Woche »Der Friedhofswärter« und »Dem Traum folgen«
Martin Schmidt, Herausgeber auxlitera.de:
»Dem Traum folgen« von Johannes Bobrowski, Christoph Meckel und Lilo Fromm
Drei Künstler im Briefwechsel: der längst unbedingt wiederzuentdeckende Dichter Johannes Bobrowski, der Dichter und Grafiker Christoph
Meckel und die Malerin und Kinderbuchillustratorin (und Meckels Gattin) Lilo Fromm. Das Buch bildet ihre enge Freundschaft in einer Art Brief- Roman von 1960 bis 1965 ab und lässt den Leser dabei eintauchen in Freundschaft, DDR- und BRDGeschichte, Kalter Krieg, Kunstdiskurs, Berliner Boheme und Literaturreflexion.
Ein 500-Seiten- Wälzer, der alles umwälzt, geschrieben in einer wunderbaren, menschlichen, zarten Sprache, mit der man heute in den Social Media auf äußerstes Befremden stoßen würde. Und deswegen: schönstes Leseerlebnis.
Alle Briefe, 1:1 im Buchstabenspiel abgedruckt, sind auf der selben Seite versehen mit hilfreichen Kommentaren und Hintergrundserklärungen, was außerordentlich Spaß macht. Auszüge aus Christoph Meckels Tagebücher füllen die Zeitlücken, geben wie eine vierte Kamera dem Geschehen weitere Farben und Perspektiven in Echtbegegnungs- Reports. Ein Lesevergnügen, ein Wälzer, ein Ozean an Leseerlebnis, ein Highlight aus dem Bücherjahr 2024.
Jürgen Kannler, a3kultur-Chefredakteur/ Herausgeber:
»Der Friedhofswärter« von Ron Rash
Blackburn Gant hatte es nie leicht. Er wächst in ärmlichen Pachtbauerverhältnissen im North Carolina der 1950er auf. Kinderlähmung fesselt ihn für lange Zeit ans Bett, entstellt sein Gesicht und lässt ihn humpeln. Er überlebt als tägliches Opfer der lokalen Halbstarken. Wie das Leben so spielt, wird Jacob, der Sohn aus reichem Haus, sein einziger Freund. Als die Familie Gant aufbricht, um im sonnigen Süden ihr Glück zu finden, lässt sie Blackburn zurück. Schließlich »hat man sich hier schon an sein Aussehen gewöhnt«. Kaum 16-jährig wird er Friedhofswärter. Zum neuen Job gehören ein Häuschen zwischen den Gräbern sowie die tägliche Präsenz des Todes und der Untoten. Das Leben ist bitterschön. Als Jacob die mittellose Naomi heiratet, wird er von seiner Familie verstoßen. Er zieht in den Koreakrieg.
An diesem Punkt entwickeln sich drei Erzählstränge aus dem Plot. Ron Rash versteht es, schnelle Bilder von eindringlicher Schärfe zu zeichnen. Seine Figuren berühren das Herz, und die Story zeigt, dass Fake News keine Erfindung der Administration Trump sind.