Theater & Bühne

Die Kahnfahrt-Festspiele sind eröffnet!

Gastautor

Zwölf Boote mit jeweils 4 Plätzen werden der Reihe nach mit den Besucher*innen besetzt und zu Wasser gelassen. Dann kann es auch schon losgehen mit dem Wettstreit um den berühmtesten Sohn Augsburgs. Alexander Möckl war für a3kultur mit dabei.

»Kultur kann auch die Poesie von Orten entdecken!«

Zur Premiere am 30. April kam extra Jürgen Enninger (Kulturreferent der Stadt Augsburg) vorbei, um die ersten Kahnfahrt-Festspiele zu eröffnen: »Ich bin sehr bewegt. Hier zeigt sich, dass Kultur auch die Poesie von Orten entdecken kann. Daher gilt mein Dank allen Beteiligten dieser Festspiele, die sich dadurch zu Anwälten dieses Kulturortes machen«, der Referent in seinen Begrüßungsworten.

»Ich bin mit Fug und Recht der berühmteste Sohn Augsburgs!«

Matthias Klösel verkörpert den Architekten Karl Albert Gollwitzer. Als Verfasser des Textes hat er sich die Rolle quasi auf den Leib geschrieben und füllt seine Rolle vom ersten Satz an wortgewaltig aus: »Ich habe das Gesicht unserer Heimatstadt mitgestaltet und meine Bauten hatten alle eine gültige Baugenehmigung«, poltert er dem Publikum entgegen. Ein charmanter Hieb in Richtung Kahnfahrt Diskussion der letzten Wochen. Und um seine Wichtigkeit zu unterstreichen, nennt er Bauwerk um Bauwerk, die er alle erschaffen hat, um letztlich zu seinem größten Projekt zu kommen, dem Gollwitzer-Hafen.

Um sich und dem Publikum etwas Luft zu verschaffen, paddeln alle gemeinsam Richtung Brücke, während Agnes Reiter (Klarinette)  und Martin Franke (Violine) »Ein Schiff wird kommen« anstimmen.

»Mit meiner Vision wird Augsburg wieder Weltstadt«

Gollwitzer ist sich sicher, der Hafen hätte Augsburg direkt an den Welthandel angeschlossen. Damit sieht er sich als Visionär, als Genie, als Revolutionär. Wäre da nicht ein plötzlich auftauchender Störenfried namens Bertolt Brecht, gespielt von Wini Gropper.

Oben auf der Brücke sitzt er, der nächste Anwärter auf den Thron. Spöttisch singt er auf Gollwitzer herab und macht ihm klar, dass er doch weltberühmt ist, Gollwitzer jedoch bald vergessen sein wird.

Gekränkt und vollkommen irritiert vom wüsten Auftreten Brechts bittet Gollwitzer zur Weiterfahrt gen Stadtmauer, während die Lechgeister den Hafen zur Melodie von »Mackie Messer« besingen.

»Mach´ Du einen Plan, gern´einen zweiten. Doch gehen tun beide nicht!«

Für Gollwitzer wird es immer schwerer, seine Vorherrschaft zu behaupten. Und Brecht setzt nach: »Gollwitzer, Du bist ein verrückter Hund, aber mach´ Du einen Plan, gern´ einen zweiten. Doch gehen tun beide nicht!«. Und um noch eins daraufzusetzen, schmettert Brecht sein Lied vom Hafen und der Liebe über das Wasser.

»Die Gunst des Bürgers wird immer wandern«

Die letzte Station des fiktiven Streitgesprächs führt schließlich in Richtung St. Jakobs Wasserturm. Dort angekommen, trifft Gollwitzer auf Elias Holl, gespielt von Matthias Ubert, der ausruft: »Bist Du eifersüchtig auf meinen unsterblichen Ruhm? Seht doch meine Bauwerke, meine einzigartigen Bauwerke!«.

Und schon taucht auch Bertolt Brecht im Gebüsch wieder auf und erklärt: »Ich habe all die antiken Bauten gesehen, alle kaputt. Doch meine Werke werden auf der ganzen Welt gespielt und überdauern die Zeit«. Doch Holl kontert: »Die Gunst des Bürgers wird immer wandern«.

Es kommt zum unausweichlichen Schlagabtausch und letztlich zum Wort-Tumult.

Bis Gollwitzer erklärt: »So kommen wir nicht weiter, lassen wir die Augsburger Bürger entscheiden!«.

Zurufe aus dem Publikum sollen den Sieger bestimmen und doch hört anscheinend jeder der drei Alpha-Männer deutlich nur seinen eigenen Namen. Am Ende gibt es dann endlich ein Ergebnis, das hier natürlich nicht verraten wird.

City of peace

Wer auch immer am Ende das Rennen gemacht hat, in einem sind sich Gollwitzer, Holl und Brecht einig: Augsburg ist Friedensstadt und hat auch einen eigenen Friedenssong verdient, betitelt: City of peace. Gemeinsam rappen sich die drei Großen unserer Stadt ins furiose Finale. Damit setzen sie einen gelungenen Schlusspunkt hinter eine durchweg grandiose Aufführung.

Ort, Text, Regie (Gianna Formicone), Darbietung und die wunderbare Musik haben die Besucher*innen mehr als begeistert. Ein Format, das hoffentlich fortgesetzt wird. Denn es hat sich jetzt schon gezeigt, dass das Augsburger Publikum offen ist für innovative, gewagte und außergewöhnliche Projekte. Bravo!

Weitere Termine: 7., 14., 18., 21. Mai und 4., 8., 11. Juni

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