Politik & Gesellschaft

Bankrotterklärung mit Kirsche

»Ruiniert«, Collage © a3kultur
a3kultur-Redaktion

Der umstrittene Staatstheaterneubau am Augsburger Kennedyplatz steht ohne Architekten da. Werden wir den Schöpfer der Käsekuchenfantasie im Nazi-Chic am Kennedyplatz vermissen? Ein Kommentar von Jürgen Kannler 

Baureferent Steffen Kercher hat dem Büro Achatz während der Sommerpause in einer Nacht-und-Nebel-Aktion gekündigt. Der Rauswurf folgt in all seiner Intransparenz der Dramaturgie dieser städtischen Chaosbaustelle. Kulturreferent Jürgen Enninger, auf dem Papier verantwortlich für den Bau und die damit zusammenhängende Kommunikation, war nach eigener Aussage zu keinem Zeitpunkt in diesen Sommerpausenputsch eingeweiht. 

Achatz soll seinen Job am Großen Haus (Bauteil 1) noch zu Ende bringen, während für die geplanten Neubauten (Bauteil 2) neue Büros gefunden werden müssen. Kercher dazu im BR-Interview: »Wir gehen davon aus, dass wir den Kostenrahmen von 417 Millionen Euro und die Fertigstellung 2030 einhalten können. Wir arbeiten mit Herrn Achatz im Bauteil 1 weiter professionell zusammen.« 

Zwei Architekturbüros auf einer Baustelle. Das kann ja heiter werden – oder aberwitzig, um im Augsburger Theatersprech der soeben gestarteten Spielzeit zu bleiben. 

Die Einlassung des Baureferenten sorgt bei Expert*innen landauf, landab schon mal für ungläubiges Kopfschütteln und Grinsereiz. »Mit viel Glück wird sich die Bauzeit nur um ein Jahr verlängern. Damit sind definitiv massive Mehrkosten verbunden«, erklärt ein renommierter Kollege Achatz, der seinen Namen zum jetzigen Zeitpunkt jedoch nicht im Zusammenhang mit dem Chaos in den Medien finden möchte. 

Hintergrund für diese Nebelkerzenaktion dürfte auch die Frage nach dem Sündenbock für diesen Desasterbau sein. Diese Diskussion ist voll im Gange und wird die Kommunalwahl 2026 in Augsburg beherrschen. Ein Gewinner dieser kostenintensiven Kopflosigkeiten steht bereits fest und ist am rechten Rand der Gesellschaft zu verorten. Ein Bündnis aus Politik und Verwaltung, das die Bürger*innen über Jahre hinweg in die Irre führt und die Bedenken, Ängste und Kritik der Menschen nur weglächelt, statt sie ernst zu nehmen, macht sich zum Wahlkampfhelfer für die extreme Rechte.

Die Stimmung bei den Augsburger*innen ist auf einem neuen Tiefpunkt angelangt. Die schöpferische Tiefe des Büros Achatz werden nur wenige vermissen. Doch das Vertrauen in die Lokalpolitik schwindet. Das Gefühl, belogen und betrogen zu werden, macht sich breit. Es kommt zu Unmutsäußerungen. Selbst bei ihrem eigenen Sommerempfang musste die OB, so berichten Ohrenzeugen, Buhrufe einstecken, als sie zum Thema Theaterneubau ausholen wollte.   

Zweifelsohne ist die Grün-Schwarze Regierungskoalition in Augsburg als Hauptverantwortliche für das Desaster zu benennen. Mit an diesem Tisch der Verantwortungslosigkeit sitzt aber auch das Leitungsteam des Staatstheaters. Das Versagen der Theaterbauintendanz belastet auch die Künstler*innen des Hauses und lässt selbst die Presseabteilung zuweilen die Contenance verlieren. Die Nerven liegen blank. Das Bewusstsein, auf Kosten anderer Kulturorte und Macher*innen ein Projekt voranzutreiben, macht befangen – zu Recht. Sich aus dem Jubelchor um Neubau- und Theaterquartier-Trallala herauszunehmen, ist für die beschäftigten Künstler*innen beim Staatstheater schwierig, aber keineswegs unmöglich. 

In der Zwischenzeit erleben die freien Szenen aller Kulturbereiche Streichungen von Fördermitteln, Etatkürzungen und eine zunehmende Umverteilung von Projektgeldern, weg von der Kultur- hin zur Immobilienwirtschaft.      

Das neuste Kapitel bei der Chaosbaustelle Staatstheater blinkt hämisch wie die Zuckerkirsche auf dem unverdaulichen Dessert. Die Bankrotterklärung vom Sommer (siehe unser Beitrag »Bankrotterklärung« vom Juli diesen Jahres) erhärtet sich zum Herbstbeginn zum Ruin der Gesellschaft. Empörung, Wut und Traurigkeit machen sich bei den Augsburger*innen breit. Manche suchen Kraft und Trost in der Kultur und finden diese zuweilen auch im Pop. Die a3kultur-Redaktion stellt weiterhin Fragen und hält es dabei mit Frank Spilker von der Hamburger Band Die Sterne, wenn er singt: »Wo fing das an, was ist passiert?Wer hat dich bloß so RUINIERT?«

Aus gegebenem Anlass startet a3kultur die Bildserie »Ruiniert«, die mit der freundlichen Genehmigung und Unterstützung von Frank Spilker (Die Sterne) untertitelt wird.     



 

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