Wo Kleine Großes schaffen
Spannende Ausblicke und Einblicke beim ersten Panel des Kultursalon 2024
Was zum Auftakt des Kultursalon 2024 unter dem nicht ganz leicht verdaulichen Titel »Flexible Immobil(i)e – vom Leerstand zur sozialen und kulturellen Infrastruktur« angekündigt war, entpuppte sich als spannender und gutgelaunter Streifzug durch die Welt der engagierten, aber oft gar nicht so auf Anhieb sichtbaren Kulturprojekte der Stadt, die auf wenig Raum erstaunlich große Bewegungen anstoßen.
Unter Führung von Hilde Strobl durften die Teilnehmer*innen zunächst das Umweltbildungszentrum, den diesjährigen Hauptspielort des Kultursalons, in direkter Nachbarschaft zum Zoo und zum Botanischen Garten, kennenlernen. Die Leiterin des UBZ, Sabine Schwarzmann zeigte sich stolz auf die besondere, sanfte Architektur und die heute ungewöhnlichen Materialien, z.B. Böden und Wände aus Lehm, die dem Gebäude Wärme und den Geist der Naturverbundenheit verleihen. Auch blickt sie hoffnungsfroh in die Zukunft des weiteren Ausbaus, z.B. im Außenbereich, wo jetzt schon Kinder gerne durchs begrünte Gelände toben.
Weiter ging es für die illustre Truppe mit Gästen von Berlin bis Wien in die Innenstadt zur Alten Schmiede. Diese war zwar einst eine Hufschmiede, ist aber gerade dabei, sich unter dem Kurznamen als Marke in ganz verschiedenen Bereichen zu etablieren: Hier wird tatsächlich geschmiedet, z.B. zur Vorbereitung auf die Meisterprüfungen im Schmiedehandwerk, aber auch das Bierbrauen hat in den fast 900 Jahre alten Mauern Einzug gehalten, und hier wird auch der »Augsburger Silbertaler« hergestellt, der tatsächlich in den Läden der Umgebung als Zahlungsmittel akzeptiert ist und als Mittel zur Identitätsstiftung mehr als reines Tauschobjekt (übrigens im Gegenwert von 2 Euro mit demselben Silberanteil) ist. Darüber hinaus ist es Gegenstand von Studien sowohl Studierender der Technischen Hochschule als auch Sachverständiger, die Bauschäden untersuchen wollen.
Dafür haben viele fleißige Hände zig freiwilige Arbeitsstunden in den Ausbau und die Restaurierung des Gebäudes gesteckt. Bauholz wurde von privat gespendet. So entstand ein vielfältig genutzter Kulturort mitten in der Stadt, der dieser selbst nicht mehr abverlangt als Würdigung und möglichst wenig bürokratische Hürden, aber in viele Bereiche, von zahlreichen Berufsgruppen und Hobbyhandwerkern bis ins Soziale hineinreicht. Damit über all dies der Überblick nicht verloren geht, haben sich der Besitzer des Hauses am Milchberg sowie der Architekt Christian Bauriedel und seine Frau Susi Weber (vielen noch bekannt als langjährige Leiterin des »Grandhotel Cosmopolis«) zum Projektteam zusammengetan, das gemeinsam Ideen und Herzblut einfließen lässt.
Gleich gegenüber der Alten Schmiede findet sich das »Haus Schöne Felder«. Unter der Ägide des gleichnamigen Vereins enstand hier, letztes Jahr ein kleines, umtriebiges Kreativquartier, kaum sichtbar im Innenhof einer ehemaligen Weinhandlung, aber mit beeindruckendem Innenleben: Ateliers, Tonstudios, ein (öffentlicher) Co-Working-Space und neuerdings auch eine Bistro-Bar machen das Haus Schöne Felder fast zum Viertel im Viertel, bei dem sogar an einem Regentag buntes Leben herrscht, in das die Besucher*innen, geführt vom Augsburger Künstler Daniel Man einen faszinierten und überraschten (wer hätte gedacht, dass hier, am Milchberg 15, die Musik zum Dresdner »Tatort« geschrieben und eingespielt wird?) Blick in die Arbeitsräume erhaschen durften.
Das Gespenst der Gentrifizierung
Natürlich gibt es auch nachdenkliche Zwischentöne: In vielen dieser Kreativschmieden ist die Angst ein lästiger Untermieter. Angst vor der Vorläufigkeit. Davor, dass das alles, vielleicht nicht von heute auf morgen, aber doch mittelfristig der Abrissbirne zum Opfer fallen könnte. Dass Nutzungsverträge nicht mehr verlängert werden, und die liebevoll eingerichteten, verwinkelten Nischen Büros und Wohnungen weichen müssen. Das Gespenst der Gentrifizierung geht um, auch in der Augsburger Kulturszene. Und der einzige Weg, dieses aufzuhalten, liegt darin, die Besitzer*innen von der Erhaltungswürdigkeit dieser kreativen Inseln zu überzeugen, sie emotional an sich zu binden, denn, so Man: »Die Politik bringt sich hier in keiner Weise ein.«
»Wir sind einfach hier«
Etwas optimistischer gibt sich Sabine Pfister. Seit neun Jahren betreibt sie zusammen mit Mitarbeiter*innen der AWO im Schwabencenter, der letzten Station des Ausflugs, das »Wohnzimmer«. Mitten im zwar noch bewohnten, aber ansonsten tristen und maroden, weitläufigen Gebäudekomplex an der Friedberger Straße, ist dieses ein kleines, buntes, heimeliges »externes Wohnzimmer«, in dem Kaffee und Kekse auf dem Tisch stehen und jede*r aus dem Quartier willkommen ist und von Nähnachmittagen bis zur Haiku-Schreibwerkstatt oder Privatunterricht allerhand Sinnstiftendes niederschwellig stattfndet.
Das graue Ungetüm Schwabencenter, erbaut 1972 als edler Wohn- und Geschäftskomplex, mit seinen 1.400 Bewohner*innen siecht seit Jahrzehnten vor sich hin, und fast schon sehnsüchtig erwartet man die Bagger, die Überflüssiges dem Erdboden gleich machen und neues Leben ansiedeln sollen, mit viel Grün und einer wiederbelebten Infrastruktur. Die Pläne dafür hängen schon aus. Das »Wohnzimmer« wird es hoffentlich auch dann noch geben, aber das dürfte auch nicht anders zu befürchten sein, denn, so Sabine Pfister: »Wir sind einfach hier«
Impressionen vom Nachmittag an den Kulturorten finden Sie in der Fotogalerie. Der Kultursalon Schwaben geht weiter am Freitag, 27. und Samstag, 28. September.
Alles über die Kulturorte unter
us-augsburg.de/umweltbildungszentrum
alteschmiede.rocks
schoene-felder.de
awo-augsburg.de/einrichtung/wohnzimmer-im-schwabencenter