Ausstellungen & Kunstprojekte

Ehret die Ablage!

Archiv der Zeit Rainer Kaiser
a3kultur-Redaktion

Künstler*innen und Mitarbeiter*innen des Stadtarchivs haben eine ganz besondere Kooperation gewagt und auf ganzer Linie gewonnen.

 

Großer Andrang vergangenen Mittwoch im Stadtarchiv Augsburg auf dem Gelände der. ehemaligen Kammgarnspinnerei. Zu sehen und zu erleben gab es – bei bester Stimmung und gar nicht so trocken, wie das Thema Archiv vermuten lassen könnte – die Ergebnisse einer ganz besonderen Kooperation:

Die Mitarbeiter*innen des Archivs, an diesem Abend vertreten durch Magistra Kerstin Lengger, haben neun graue Archivkartons aus Wellpappe, von denen es  im Stadtarchiv ca. 20.000 weitere gibt, thematisch befüllt und für die acht teilnehmenden Künstler*innen, Christofer Kochs, Beatrice Schmucker, Rainer Kaiser, Paul Englmeier, Jana Schwindel, Erika Kassnel-Henneberg und Gerhard Fauser und – quasi als Ehrengast – Georg Bernhard zur Verfügung gestellt. 

Diese haben sich mit den Inhalten, die dem üblichen Inhalt solcher Archivkartons entsprechen – Fotos, Karten, Urkunden, Ausweise etc., die von den 7.000 Angestellten der verschiedenen Augsburger Behörden Tag für Tag zur Ablage eingeliefert werden – auseinandergesetzt und darauf basierend eigene, zum Teil vergnügliche, zum Teil nachdenkliche Kunstwerke geschaffen, bei denen die einzige Auflage war, dass diese ebenfalls in die Kartons passen müssen. Eine äußere Beschriftung gab es nicht. 

Und so betritt man als Besucher*in zunächst eine Art Glyptothek, in der die grauen Quader auf neun Podesten, flankiert von Video- und kinetischen Arbeiten sowie einer Vitrine voller Skizzenbücher, fast wie eine Installation aus einzelnen Skulpturen positioniert sind. Mit dem Wissen, dass hier eine Art Zeitkapseln entstanden sind, wie sie auch der Avantgardekünstler Andy Warhol zu Hunderten angelegt hatte, wirkt dies allein als streng gegliedertes, enigmatisches Kunstwerk. 

Aber das Beste kommt erst noch: Wo Neugierige, die Hand an die Kunstwerke legen, in anderen Ausstellungen mit strengen Sanktionen rechnen müssen, ist das Anfassen der Kunst hier absolut gestattet und sogar in hohem Maße erwünscht. Die Kartons dürfen von ihren Sockeln genommen und an Tischen entpackt werden, gleich analogen ZIP-Ordnern. 

Vergnügliche Interaktion mit Kunst und Geschichte

Das birgt Überraschungen und kann zur vergnüglichen Interaktion mit der Kunst und den Mitanwesenden geraten. Es empfiehlt sich daher auch, die Ausstellung zu mehreren zu besuchen und den Akt des Entpackens gemeinsam vorzunehmen. Hier kommen Meinungen, kollektive und idividuelle Erinnerungen und Aha-Erlebnisse zusammen, denn wie schon Oberbürgermeisterin Eva Weber in ihrer Einführungsrede betonte: Geschichte entsteht in der Zeit und mit der Zeit. 

Und wie geht es weiter? Wandern die Kunstwerke nach Beendigung der Ausstellung auch ins Archiv? Nein, beruhigt Beatrice Schmucker, die zusammen mit Christofer Kochs die Kuration der Kunstaktion innehatte. Die Stücke gehen an die Kunstschaffenden zurück –  jedenfalls diejenigen, die noch vorhanden sind, denn: nahezu alle Werke können käuflich erworben werden. 

Es stimmt hoffnungsfroh, dass Stadtverwaltung und Kunstschaffende sich hier im Rahmen dieses Projekts so nahe kommen. Zum einen werden Erinnerungen der Stadt aus ihrem jahrzehntelangen Tiefschlaf erweckt, zum anderen bekommen Kunstschaffende eine Inspirationsquelle und eine Spielwiese für den kreativen Umgang zur Verfügung gestellt.

Die Ausstellung ist eine vortreffliche Werbung fürs Stadtarchiv, auf dessen Website Interessierte auch nach Herzenslust selbst beginnen können, nach alten Dokumenten aus dem Bestand zu stöbern. Schließlich sind sie als Bürger*innen gleichsam Miteigentümer*innen dieses Erinnerungsschatzes. 

Das »Archiv der Zeit« kann noch bis zum 31. Mai zu den Öffnungszeiten des Stadtarchivs (Dienstag  bis Donnerstag: 8– 17 Uhr, Freitag 8—12 Uhr) besichtigt und entpackt  werden. Der Eintritt ist frei. 

Außerdem öffnet das Stadtarchiv auch immer wieder für Themenführungen durch seine Bestände, die leider immer schnell ausgebucht sind. Es lohnt sich daher ein regelmäßiger Besuch der Website:

www.augsburg.de/kultur/stadtarchiv-augsburg

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