Ausstellungen & Kunstprojekte

Sammelstopp für Fleischwölfe

a3kultur-Redaktion

Interview mit Dr. Beate Spiegel, Leiterin des Volkskundemuseums Oberschönenfeld, zum Aktionstag »Kultur für Schwaben« am 9. Juni

Im Rahmen seines Aktionstages »Kultur für Schwaben« am 9. Juni übergibt der Bezirk das neue Besucherzentrum im alten Schafstall des Klosters Oberschönenfeld der Öffentlichkeit und lädt zum großen Museumsfest. Aus diesem schönen Anlass baten wir Dr. Beate Spiegel, die Leiterin des Volkskundemuseums Oberschönenfeld, zum Gespräch. Von Jürgen Kannler

a3kultur: Was ist für Ihr Museum der wichtigere Aspekt, das Sammeln oder das Präsentieren?

Dr. Beate Spiegel: Das eine geht nicht ohne das andere. Für die Museumsarbeit ist die Sammlung die Grundlage und aus der Sammlung erwachsen je nach Fragestellung und je nach Zeit wieder neue Aspekte, die in die Präsentation einfließen. Die Qualität der Sammlung und die Aufarbeitung der Sammlung sind im Grunde das Fundament. Ohne das kann ich auch nichts präsentieren.

Als Volkskundemuseum ist Ihr Haus bei der Pflege seiner Sammlung nicht zuletzt auf Materialspenden aus der Bevölkerung angewiesen. Wie vermittelt man den Besuchern, welche Exponate willkommen sind und welche weniger, um Enttäuschungen zu vermeiden?

Das ist in der Tat nicht immer ganz einfach. Unser härtester Fall war eine halb fertig gestickte Kreuzstichtischdecke, die dann an der Info abgegeben wurde mit der Begründung, die Damen an der Kasse hätten doch Zeit, die Decke fertig zu sticken. Um solche Beispiele in puncto Spendenbereitschaft einzudämmen, haben wir in den letzten Jahren ein Sammlungskonzept erarbeitet und darin festgelegt, was in die Sammlung gehört, welche Bereiche wir noch ausbauen wollen und auch von welchen Exponaten wir schon jetzt zu viele in den Lagern haben. Es gibt zum Beispiel einen absoluten Sammlungsstopp für Fleischwölfe. Bei der Erweiterung der Sammlung geht es uns darum, Schwerpunkte auszubauen und nach Möglichkeit Sammlungslücken zu schließen.

Und wo wären solche Lücken?

Bei der Souvenirausstellung im letzten Jahr hat sich beispielsweise gezeigt, dass wir kaum einen Bestand an Urlaubsmitbringseln mit Schwabenbezug haben. Da sammeln wir jetzt sehr konsequent weiter. In so einem Fall helfen uns dann auch Schenkungen wie die von der Traditionsfirma Walter & Prediger aus Neugablonz, die uns einen Teil ihrer sehr schönen Leihgaben überlassen hat.

Definieren Sie Ihre Ausrichtung immer wieder neu?

Ein Sammlungskonzept muss man alle paar Jahre überarbeiten. Dann stellt man zum Beispiel fest, dass im Bereich Landwirtschaft, wo wir eigentlich einen Sammlungsstopp haben, sehr wohl noch Geräte fehlen, mit denen Kinder in die Arbeit sozialisiert wurden. Bei diesem Thema schließen wir uns natürlich auch mit den Museen in Maihingen und Illerbeuren zusammen und versuchen so Sammlungsdoppelungen zu vermeiden.

Wie besänftigen Sie denn enttäuschte Sammler, die gehofft hatten, einen ganz großen Schatz zu Ihnen zu bringen, und dann erfahren, dass es genau zu diesem Thema einen Sammlungsstopp gibt?

In diesen Fällen hoffen wir freundlich auf Verständnis. Das ist auch eine Kostenfrage.

Sammeln ist teuer.

Ja, ein niederländischer Wissenschaftler hat vor Jahren ausgerechnet, dass allein die Sichtung eines Objekts damals um die 75 Mark gekostet hat. Ich denke, heute dürften die Kosten für so eine Ansicht samt Recherche deutlich höher liegen. In jedem Einzelfall muss eine Reihe von Fragen geklärt werden: Ist das Stück aussagekräftig für die Sammlung? Bringt es die Sammlung weiter? Wie ist der Zustand? Haben wir den Platz dafür? Gibt es vergleichbare oder identische Objekte schon in anderen Sammlungen? Es ist sinnvoll, sich als Museum zu spezialisieren, und dann zu schauen, dass man von Kollegen Leihgaben erhält, um bei einer Sonderausstellung einmal etwas ergänzen zu können.

Wie würden Sie denn Ihre Zielgruppe definieren?

Unsere Durchschnittsbesucher sind um die 57 Jahre alt, besser gebildet und Wiederholungstäter. Wir haben wirklich sehr viele Besucher, die oft wiederkommen. Was uns ein wenig fehlt, sind mehr jüngere Familien. Im Gegensatz dazu kommen immer häufiger Senioren. Diese Gruppe ist heute mobiler als noch vor einigen Jahren und erwartet ein anderes Erlebnis im Museum als junge Familien. Ich kann also nicht nur für eine Zielgruppe sammeln. Diese verschieben sich ja auch, ebenso wie sich die Interessen der Besucher generell verschieben.

Welche Zielvorgaben – wenn man das so formulieren kann – haben Sie denn vom Bezirk, was Ihre Arbeit hier im Museum angeht? Soll sich das Haus in eine bestimmte Richtung entwickeln?

Eine Zielvorgabe ist schwierig zu definieren. Es steht seit Anfang an fest, dass dieses Museum die Alltagskultur der breiteren Bevölkerung etwa in den letzten 150 Jahren sammeln und auch präsentieren soll, neben einer Erweiterung um ausgewählte kulturhistorische Themen, die dann hier auch in den Kontext passen. Präsident Jürgen Reichert bezeichnet uns ja als Leuchtturmprojekt für Schwaben. Das ist unsere Richtschnur. In Oberschönenfeld gibt es die feste Sammlung, es gibt die Sonderschauen und die Galerie. Und ab Juni ein nagelneues Besucherzentrum.

Welche Funktion hat diese Erweiterung?

Im Grunde ist das Besucherzentrum ein Empfangsgebäude für die Menschen, die auf dem Gelände eine Ausstellung, das Museum oder auch das Naturpark-Haus oder das Staudenhaus besichtigen wollen. Es geht uns hier darum, Orientierung zu bieten und unsere Möglichkeiten und Angebote aufzuzeigen. Wir führen auch an das heran, was das ist, unser Schwaben, und was wir hier im Schwäbischen Volkskundemuseum machen. Das ist ja durchaus erklärungsbedürftig und noch nie so thematisiert worden.

Mit Ihren Veranstaltungen, die jetzt nicht unmittelbar mit dem Museum zu tun haben müssen, aber doch zum Gesamtprogramm des Hauses gehören, stoßen Sie gelegentlich auch an die Kapazitätsgrenzen des Geländes. Oberschönenfeld wird immer häufiger zum Besuchermagnet. Ist dieses große Interesse am Programm eher Fluch oder Segen für Ihr Haus?

Für uns als Museum ist es eigentlich nur schwierig, die Menschen zum ersten Mal hierherzubringen. Wer einmal hier war, kommt gerne wieder. Das können wir belegen. Darum sind Veranstaltungen mit so überwältigender Resonanz wie beim internationalen Museumstag, beim Museumsfest und auch beim Weihnachtsmarkt für uns sehr wichtig. An diesen Tagen ist der Eintritt frei und wir gewinnen so ein Publikum, das sich sonst vielleicht gar nicht in eine von unseren Einrichtungen trauen würde.

Also ist der gewaltige Mehraufwand, den diese Veranstaltungen bedeuten, gerechtfertigt?

Es ist auch ein Service für die Besucher. Ich meine, wir bezahlen ja alles von Steuergeldern, und das ist doch eine Möglichkeit, viele anzusprechen, für die ein Museum eine Hemmschwelle darstellt.

www.schwaebisches-volkskundemuseum.de

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