Ein Weg, der sich lohnt

Ich beginne meine Tour dort, wo auch die Idee eines Kunstparcours ihren Ursprung nahm – im Kulturpark West. Das dort ansässige Künstlernetzwerk »Achtundreißigvierzig« möchte mit seinem Projekt die städtische Szene erlebbar machen und die Orte abseits der großen Kunstausstellungen in den Mittelpunkt rücken.
Um etwa halb vier bin ich einer der ersten Besucher. Allein in den beiden Kasernenbauten in der Sommestraße 38 und 40 öffnen an diesem Tag neun Kunstschaffende ihre Ateliers. Für die Gäste werden fast überall Getränke und Snacks angeboten, man nimmt sich Zeit. Unter anderem mit von der Partie ist Susanne Ziegler. Die Künstlerin konzentriert sich in ihren Werken vor allem auf die Darstellung von alternden Menschen und Obdachlosen. Sofort ins Auge sticht eine großformatige Malerei, die den »König von Augsburg« zeigt. Mit seinem langen grauen Bart, fantastischen Gewändern und einer scheinbaren Omnipräsenz dürfte er jedem in der Stadt ein Begriff sein. Umso schöner, dass das Motiv gleich als Aufkleber mitgenommen werden kann. Der Katalog des Kunstparcours bietet nämlich nicht nur Informationen zu allen Künstlern, sondern dient gleichzeitig als Sammelalbum, das mit jeder Station vervollständigt werden kann.
Der Blick auf die Uhr verrät, dass die Zeit heute wohl leider wie im Flug vergeht. Daher mache ich mich auf den Weg zur nächsten Location, dem Kulturhaus abraxas. Zunächst etwas schwierig zu finden ist das Atelier von Tairou Mounazi Aziz im Keller des Gebäudes. Als Batikkünstler widmet er sich in seinen Werken dem Leben und der Kultur seiner afrikanischen Heimat. Seine Bilder vermitteln dem Betrachter mit intensiven Farben ein Gefühl der Ruhe, des Friedens und laden zum Träumen ein. Dazu gibt es aus den Lautsprechern feinsten Reggae und Dancehall. Nach einer kurzen Stärkung in Form von leckeren Thunfisch-Schnittchen, die die Frau des Künstlers zubereitet hat, geht es weiter in die Direktion.
Nicht nur Claudia Schuldis kann sich dort endlich über Besucher freuen. Bei einem Kaffee in ihrem Atelier »Stella Mirabella« erfahre ich von der Illustratorin und Kinderbuchautorin, dass bislang nicht viele Parcoursteilnehmer den Weg in das ehemalige Direktionsgebäude in Oberhausen gefunden haben. Einen Stock tiefer nutzt Eva Rumpf die Gelegenheit und feiert mit Freunden und Familie die Eröffnung ihrer Werkstatt. Erst seit diesem Sommer lebt und arbeitet die Bildhauerin aus Rheinland-Pfalz in Augsburg.
Die nächste Station auf meinem Plan ist die Ballonfabrik. Jeden Morgen passiere ich auf dem Weg zu den Redaktionsräumen dieser Zeitung die vielen Türen der hier arbeitenden Künstler – endlich die Chance, einen Blick dahinter zu werfen. Mit Mika Bruhns »An und für sich« und Fabian Kipps »fine & dandy« erhalten die Besucher Einblicke in die Welt der Mode. Das bayerisch-österreichische Kreativ Kombinat widmet sich unter anderem der Holzbildhauerei, hauptsächlich in Form von lustigen bis furchteinflößenden Masken. Als interessanter und tiefsinniger Gesprächspartner entpuppt sich Tomé, der mit seinem Kinderportätmuseum ebenfalls in der Ballonfabrik zu Hause ist. In seinen Zeichnungen stellt der Lehrer nicht nur glückliche und lachende Kinder dar, sondern lenkt auch anhand teilweise drastischer Darstellungen die Aufmerksamkeit auf Missstände in der Welt wie den Einsatz von Kindersoldaten.
Als ich schließlich auf dem Weg in die Stadt bin, ist es schon längst dunkel. Dementsprechend lasse ich den Tag in den Kunstparcours-Kneipen der Altstadt ausklingen. Im Brechts präsentiert mir Walter Käsmair bei einem Bier am Tresen seine stimmungsvollen und unverwechselbaren Schwarz-Weiß-Fotografien. Le Coq, Schroeder, Thing, Kreuzweise – Viel schaffe ich nicht mehr. Zwar ist mein Katalog am Ende des Tages erst halbvoll, doch stimmt mich gerade diese Tatsache zuversichtlich: Augsburgs Kunstszene ist unglaublich vielfältig, lebendig und spannend. Der Kunstparcours bietet eine tolle Gelegenheit, Kunst dort zu erleben, wo sie entsteht und stattfindet. Eine Fortsetzung wäre – mit hoffentlich mehr Besuchern – wünschenswert.