Literatur

Der Maro Verlag

Susann Rehlein: Der Phallushügel – Ein liebevolles Heft über den Penis (2023) 36 Seiten, 16 Euro
Gastautor

Augsburgs Pionier des literarischen Underground. Ein Gastbeitrag von Peter Bommas

Von der Beat-Literatur eines Charles Bukowski und John Fante zu Kapitalismuskritik, Klimawandel und Genderdiskussion – immer wild, schräg, schön und kompromisslos gegen rechts: Die Bücher und Hefte des Augsburger Maro Verlags.

Gegründet 1969 von Franz Bermeitinger (der bald darauf aussteigt) und Benno Käsmayr, heute geführt von Benno Käsmayr und seiner Tochter Sarah. Eine bemerkenswerte Story von do it yourself, Spürsinn, Engagement und literarischer Neugier. Still, leise und gänzlich uneitel hat Benno Käsmayr eine literarische Spur gelegt, die ziemlich einmalig in der deutschen Buch- und Verlagslandschaft sein dürfte: Wo gibt es das noch, dass Druck, Verlag und Vertrieb in einer Hand sind, dass Entdeckerfreude und Spaß an der Herstellung schöner, cooler Bücher und toller Hefte so zusammengehen?

Mein Schlüsselerlebnis mit Maro und Benno Käsmayr war 1997 die Pioniertat mit der Herausgabe der deutschen Übersetzung von Gilbert Sorrentinos »Mulligan Stew«, wo ich als einer der Förderer des Mulligan Stew-Projektes die Ausgabe Nr. 57 der auf 126 Exemplare limitierten Vorzugausgabe – ein Konvolut von 600 Seiten – in Händen hielt. Eine Meisterleistung des Kleinverlags aus Augsburg! Doch von Anfang an:

Begonnen hat alles mit einem Matrizendrucker in Gersthofen, wo 1969 der 21-jährige Benno Käsmayr sein literarisches Coming Out hatte: »Das große Scheißbuch«, ein erstes Undergroundmagazin in Kleinstauflage, entstand, das der Verlagsgründung vorausging, gefolgt dann 1970 vom ersten tatsächlichen Maro-Titel, der literarischen Zeitung »UND«, für die dann u.a. Autor*innen wie Heike Doutine, Guntram Vesper, Jörg Fauser oder F. C. Delius schrieben – Auflage 200 Stück! Kurz darauf dann der absolute Burner, der Maro so richtig bekannt machte in der westdeutschen Literaturszene und sein ökonomisches Fundament sicherte: die Veröffentlichung des ersten Lyrikbandes von Charles Bukowski »Gedichte die einer schrieb bevor er im 8. Stockwerk aus dem Fenster sprang« – zwischen 1974 und 1979 mit einer Auflage von 54.000 Stück und damit der Grundstock für den wirtschaftlichen Erfolg des Kleinverlags, zustandegekommen letztlich durch den engen Kontakt zu Bukowski-Übersetzer Carl Weissner, der Benno Käsmayr zur Entdeckungsreise in den US-Literatur-Underground animierte: John Fante, Jack Kerouac, La Loca, Anne Waldmann hießen die nächsten Autor*innen des US-Underground bei Maro.

Heute führt der Verlag dreizehn Titel von Bukowski im Programm und seit seine Tochter – eine erklärte Feministin mit abgeschlossenem Designstudium, jetzt mit der Aussenstelle in Berlin-Moabit, 2016 mit eingestiegen ist in Druck und Verlag, sind neue Themen und Titel dazu gekommen, vor allem erwähnenswert die toll gestalteten »Maro Hefte« (illustriert und gezeichnet von Kolja Burmester), immer mit aufwändiger Druckgestaltung und ganz aktuellen Themen, die die Handschrift von Sarah Käsmyr – z.B. Lydia Dahers Gedichtband »Kleine Satelliten« (2017), Pia Klemps Roman zur Seenotrettung »Lass uns mit den Toten tanzen“ (2019) oder das freche Heft zum Mythos Jungfernhäutchen und ganz aktuell »Der Phallushügel« von Susanne Rehlein (2023) und als Dauerbrenner bemerkenswert von Lou Zucker »Eine Frau geht einen trinken. Alleine« Kann man alles nur weiterempfehlen!

Benno Käsmayr, inzwischen Mitte 70, immer noch mittendrin in Druckerei und Verlag nach über 50 Jahren Zickzackkurs durch Augs­burg, von Gersthofen ins Bismarckviertel, dann in die Industriebrache Riedinger Park und jetzt im Stadtteil Oberhausen, irgendwo links der Wertach. Wie gesagt, begonnen hat damals alles mit dem großen »Scheißbuch«, und aktuell gibt’s von Felix Bork »Aus den Ärschen aus dem Sinn« – eine Odyssee durch Körper, Klo, Kanalisation, Kläranlage und Wolken. Maro Verlag und die Käsmayrs – eine eine ewig junge, runde, coole Sache!

www.maroverlag.de     

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