Politik & Gesellschaft

Nacht der verbotenen Lieder

Plattenverbrennung, Illustration (Dall-E)
a3kultur-Redaktion

Eine kurze Geschichte der Zensur in der Musik. Wer war wann und warum auf dem Index? Ein Projekt und eine Spotify-Playlist für den Kultursalon Schwaben 2024.

Warum landen musikalische Werke seit der Erfindung des Radios immer wieder auf dem Index, werden ganze Plattenpressungen eingestampft oder Musiker*innen gar ins Gefängnis geworfen? Dieser Frage geht die a3kultur-Redaktion zusammen mit Gästen aus der Musik- und Kulturszene nach. Wir stellen die Songs vor und lassen eine Spotify-Playlist bis zum Kultursalon Schwaben 2024 wachsen, der von 26. bis 28. September stattfindet. Beim Salon Ende September wird es zwei »Nächte der verbotenen Lieder geben.

 

Biko - Peter Gabriel

Der Protest-Song »Biko« von Peter Gabriel.

Peter Gabriel veröffentlichte 1980 auf seinem dritten Solo-Album Melt den Song Biko, der Stephen Biko gewidmet war, einem bedeutenden Anti-Apartheid-Aktivisten in Südafrika. Biko gründete 1968 die South African Students’ Organisation (SASO) und war eine führende Figur der Black People’s Convention, die die Black Consciousness-Bewegung prägte. Aufgrund von Streiks an Universitäten wurde er 1973 vom Apartheid-Regime mit einem Bann belegt und mehrfach verhaftet, zuletzt am 18. August 1977. Nach schweren Misshandlungen während der Verhöre starb Biko am 12. September 1977 in einer Zelle in Pretoria. 

Der Song wurde ab seiner Veröffentlichung im Jahr 1980 bis zum Ende der Apartheid im Jahr 1994 verboten.

Er wurde als Bedrohung für die Sicherheit des Staates angesehen wurde. Die Behörden befürchteten, dass das Lied eine erhebliche emotionale Wirkung auf die durchschnittlichen schwarzen Zuhörer haben könnte und somit die politische Stabilität gefährden könnte. Die Zensur basierte auf dem Publications Act von 1974, der es den Behörden ermöglichte, Materialien zu verbieten, die als politisch subversiv oder gefährlich angesehen wurden.

Je t'aime ... moi non plus - Jane Birkin & Serge Gainsbourg

Der Stöhn-Klassiker »Je t'aime moi non plus« von Birkin & Gainsbourg (1969)

Das weltbekannte Duett (ursprünglich mit Brigitte Bardot), wurde von vielen Radiostationen u.a. in Brasilien, Spanien, Schweden und UK in den Giftschrank verbannt, weil die Geräusche von Jane Birkin zu sehr an vollzogenen Geschlechtsverkehr erinnern. In Frankreich wurde der Song höchstens nach 23 Uhr gespielt. Gainsbourg fand es witzig, dass der Vatikan zu seinem besten Marketing-Helfer wurde.

Cop Killer - Body Count (Ice T)

»Copkiller« von Bodycount (1992), einer der wenigen verbotenen Songs im »Land Of The Free«.

Nach der Veröffentlichung gab es massive öffentliche Kritik, insbesondere von Polizeiverbänden und konservativen Politikern (der damalige Vizepräsident Dan Quayle verurteilte den Song sogar öffentlich), Boykottaufrufe gegen die Plattenfirma Time Warner und Drohungen gegen die Vertriebsketten, die das Album verkauften. Der Song wurde als Auslöser der Rodney-King-Unruhen gesehen. Viele Radiostationen und Fernsehsender boykottierten den »Copkiller«. 

Schere im Kopf: Ice T entschloss sich, den Song vom Album zu entfernen und Warner presste eine neue Version ohne »Copkiller«. Wäre Youtube nicht erfunden worden, würden wir den Song wohl nur aus Erzählungen kennen.

 

Zombie - Fela Kuti

Nach der Veröffentlichung von »Zombie« (1976) griff das nigerianische Militär an!

Der Song wurde als direkte Kritik an der militärischen Führung und ihrem autoritären Verhalten verstanden, was zu erheblichen Spannungen zwischen Kuti und der nigerianischen Regierung führte. Die Regierung reagierte auf den Erfolg und die Popularität des Songs, indem sie ihn verbot und versuchte, Kuti und seine Anhänger zu unterdrücken.

Nach der Veröffentlichung von »Zombie« griff das Militär Fela Kutis »unabhängige Siedlung«, die Kalakuta Republic, an. Das Gebäude wurde niedergebrannt, viele Bewohner, einschließlich Kuti selbst, wurden schwer misshandelt, und seine Mutter wurde aus dem Fenster geworfen, was später zu ihrem Tod führte.

Moritat von Mackie Messer - Brecht/Weill

»Die Moritat von Mackie Messer«, Weill - Brecht (Lotte Lenya)

Brechts Werke, einschließlich »Die Dreigroschenoper«, wurden von den Nationalsozialisten verboten, da sie als subversiv und marxistisch galten. Er ist bekannt für seine politisch engagierten Werke, die oft Kritik an den sozialen und politischen Zuständen seiner Zeit übten. 

A Matter of Habit — Izahr Ashdot

"Töten lernen ist eine Frage der Dynamik
Es fängt langsam an und dann kommt es.
Ich patrouilliere jede Nacht in der Kasbah von Nablus.
Hey, was gehört uns hier? Was ist deins?"

Izhar Ashdot


Die scharfen Worte in A Matter of Habit wurden mit Lob, aber auch mit Kritik bedacht. Es wurde argumentiert, dass das Lied ein Versuch sei, den Staat Israel und seine Verteidigungskräfte zu delegitimieren. Das israelische Regierungsmitglied Naftali Bennett behauptete, dass "dieser Song direkt an die Hisbollah gehen wird (...), weil dies genau die Art von Munition ist, die unsere Feinde brauchen."

Einige Wochen nach der Veröffentlichung wurde Ashdot zu einem Auftritt beim Armeesender Galatz eingeladen, der als einer der liberalsten Radiosender des Landes gilt. Doch noch während die Musiker ihre Instrumente stimmten, sagte der Senderkommandant den Auftritt ab. Er wollte nicht, dass A Matter of Habit auf seiner Wellenlänge gespielt wird.

Dass der liberale Sender Galatz ein Lied zensierte, war schon undenkbar, aber dass er ein Lied des angesehenen und beliebten Izhar Ashdot zensierte, war geradezu schockierend. Nach dem Vorfall gab der Sender eine Erklärung ab, in der es hieß: "Das Armeeradio als ein Sender von Soldaten, in dem viele Soldaten ihren Militärdienst ableisten, sollte es vermeiden, ein Lied zu feiern, das diese Soldaten dämonisiert".

Ashdot selbst war nicht der Meinung, dass das Lied in erster Linie politisch sei. Gegenüber einem israelischen Fernsehsender erklärte er: "Ich habe ein Problem damit, etwas als Protestlied oder politisches Lied zu bezeichnen. In diesem Lied geht es darum, was mit unseren Kindern passiert, wenn sie in die Armee eintreten."

Quelle: https://www.unsongs.com

Killing An Arab — The Cure

Seit der Veröffentlichung des Liedes ist "Killing an Arab" umstritten und wird als Aufforderung zur Gewalt gegen Araber angesehen. In einem NME-Artikel aus dem Jahr 1978 wurde der Titel des Liedes als "auf den ersten Blick unverantwortlich rassistisch" bezeichnet, worauf Robert Smith antwortete: "Es ist nicht wirklich rassistisch, wenn man weiß, worum es in dem Lied geht. Es ist kein Aufruf zum Töten von Arabern." 

In den USA wurde die erste Single-Zusammenstellung von The Cure, Standing on a Beach (1986), mit einem Aufkleber versehen, der vor der rassistischen Verwendung des Songs warnte. Robert Smith und Elektra Records verlangten, dass die Radiosender den Song nicht mehr sendeten, und sahen den Aufkleber als Kompromiss, um zu verhindern, dass das Album ganz aus dem Verkauf genommen werden musste. 

Während des Persischen Golfkriegs und nach den Anschlägen vom 11. September war der Song erneut umstritten.

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